In Kapstadt wohne ich bei "Locals", wie es im Praktikanten-Slang genannt wird, was nicht ganz selbstverständlich ist, da viele meiner Praktikanten-Genossen in WGs zusammen wohnen. Noch etwas ungewöhnlicher ist, dass ich in einem schwarzen Haushalt wohne, denn nach wie vor ist die Trennung zwischen weiß und schwarz in Kapstadt und Südafrika nicht zu übersehen. Selbst meine Kollegin im Büro würde gerne mal meinen Vermieter Claude kennen lernen, da sie sonst nicht so viele schwarze Freunde hat in Kapstadt.
Claude ist noch ein ganz besonderer Spezialfall - er ist kein Südafrikaner, er kommt aus Burundi. Dort ist er mit 17 Jahren vor dem Krieg geflohen, zunächst nach Kenya, wo er seine Frau kennen lernte. Als Flüchtling ist er durch den Kongo, Tansania, Mosambik, Malawi, Sambia und Simbabwe gekommen bevor er 2005 in Kapstadt ankam. Heute ist er 32 Jahre alt, hat den Flüchtlingsstatus der UNO und ist sehr geschäftstüchtig.
Bei jeder Gelegenheit nutzt er neue Freundschaften und Bekanntschaften aus, um Geschäftskontakte zu knüpfen und Netzwerke herzustellen. Inzwischen ist er Teilhaber an einem kleinen Internet- und Telefonladen um die Ecke und kann sich eine geräumige Wohnung in Sea-Point, einer ursprünglich weißen Gegend von Kapstadt leisten.
Er ist extrem gesellig und das ist sein Erfolgsrezept. Als wir am Wochenende mit ihm ausgegangen sind, kannte er an allen Ecken Leute, allermeistens Schwarze, ebenfalls Ausländer. Er ist kein großer Fan von Südafrika, die Gewalt ist das größte Problem. Die weite Verbreitung von Waffen unter der schwarzen Bevölkerung - zum Beispiel in Khayelitsha - macht es für ihn unmöglich seine "schwarzen Brüder" in diesen Teilen der Stadt zu besuchen - als fremder Schwarzer lebt er mit dem Risiko, Opfer der sogenannten "Xenophobic attacs" zu werden, die die Stadt kürzlich heimsuchten und jederzeit wieder ausbrechen könnten. Während der Unruhen vor wenigen Monaten beherbergte er hier in Sea Point mehrere befreundete Familien aus den schwarzen Gegenden, die zuhause nicht sicher waren.
Viele Leute die ich hier kennen lerne haben Biographien, die zunächst sehr ungewöhnlich klingen. Sicherlich ist einer wie Claude nicht gerade die Regel, doch selbst unter meinen weißen Kollegen gibt es einige, die turbulente Zeiten hinter sich haben. Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Unstetigkeiten mussten sie immer wieder Existenzen aufgeben, kurzfristig in ein anderes Land ziehen und von vorne anfangen. Was den Nebeneffekt hat, dass hier viele Leute sehr viele Sprachen sprechen. Claude: Französisch, Englisch, Kirunda, Swahili und vielleicht noch mehr. Andreas, der Kollege mit dem ich häufig in Khayelitsha unterwegs bin spricht Zulu, Xhosa, Swahili, Deutsch, Englisch und Afrikaans. Eine Xhosa Lern-CD habe ich mir heute auch zugelegt - nächste Woche habe ich viele Termine in Khayelitsha, da heißt es vorbereitet sein, einen guten Eindruck machen.
Wenn ich weiße Südafrikaner außerhalb meiner Arbeit kennen lerne sind die meistens ziemlich erstaunt, dass ich nach Khayelitsha fahre. Viele von ihnen waren noch niemals dort auch wenn sie ganz in der Nähe aufgewachsen sind. Sie erzählen mir Geschichten von Initiationsriten für Gangmitglieder, bei denen als Prüfung weiße Autofahrer zu erschießen sind. Natürlich gibt es ein Gang-Problem in den Vierteln wo wir arbeiten (Nicht alle Eltern können zur Elternversammlung kommen, da es gegnerisches Gang-Gebiet ist und ihre Kinder gefährden könnte), aber trotzdem fühle ich mich nicht bedroht wenn ich in Begleitung in der Gegend unterwegs bin.
Die Leute die dort zu Hunderttausenden leben, haben auch einen ganz normalen Alltag und sind von den meisten Problemen des Viertels viel stärker betroffen als jeder Weiße, der mal vorbeikommt. Ich habe das Gefühl, dass die Angst vor der hohen Kriminalität die Rassentrennung in Kapstadt noch immer aufrecht erhält - und vielleicht dazu benutzt wird?
In Khayelitsha - habe ich mir sagen lassen - gibt es fünf Millionäre. Sie wollen aus den Townships aber nicht fortziehen, da diese Viertel ihre Heimat sind und sie reich gemacht haben. Tatsächlich sehen die Shacks und Government-Houses von innen oft gar nicht so übel aus - und vor manchen ärmlichen Hütten stehen tatsächlich neue Audis oder BMW.
Vor meinem Zimmer in Sea-Point steht ein klappriger VW-Käfer, bei dem ich jeden Tag das Öl kontrollieren muss und der bei kühlem oder nassen Wetter ohne ständiges Pumpen mit dem Gaspedal immer wieder ausgeht. Und das nasse, kühle Wetter kommt gerade wieder vom Meer über die Stadt gezogen. Hoffentlich wirds am Wochenende besser, dann stünde die Besteigung des Tafelbergs an.
Donnerstag, 21. August 2008
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