Gestern Nachmittag war ich noch recht spät auf einem Termin im Township. Ich besuchte ein Haus zur Betreuung von Schulkindern an Nachmittagen. Das soll verhindern, dass die Jugendlichen auf den Straßen herum laufen und mit Kriminalität und Drogen in Berührung kommen.
Als ich fertig war holte mich wie gewöhnlich mein Kollege Theo, seines Zeichens "Community Facilitator", ab. Bevor wir aber zurück in die "Basis" fuhren, wollte er noch eine Runde durch die Gegend drehen. Gerüchteweise rotteten sich wieder einmal Gruppen zusammen, um bei den Ausländern für Unruhe zu sorgen. Tatsächlich trafen wir auf ein paar solcher Gruppen, doch bei einem kurzen Gespräch gaben sich alle ganz friedfertig und harmonisch.
Kurze Zeit später allerdings befanden wir uns mit Vollgas hinter einer ausrückenden Einheit der Polizei. Das Ziel der Reise war ein Shop eines Somali der gerade in Schwierigkeiten geraten war - der Spuk war vorrüber so schnell er begonnen hatte, dutzende Polizisten stürmten in den Laden und verhinderten Schlimmeres. Heute Morgen dann gab es ein Meeting zu unter anderem diesem Thema.
In dem Treffen fassten verschiedene Kollegen die Hintergründe zusammen. Bei einem weiteren Vorfall gestern ist demnach größerer Schaden entstanden - rein materiell, indem der somalische Ladenbesitzer um einen Gutteil seines Inventars gebracht wurde. Vorausgegangen war der Aktion eine Briefaktion der südafrikanischen Organisation der Shop-Besitzer, in dem sie die somalischen Shop-Besitzer aufforderten bis 24. September ihre Geschäfte zu schließen. Dieser Brief wurde nachträglich zurück genommen. Alles hat offenbar einen hochpolitischen Hintergrund, im Zusammenhang mit den kommenden Wahlen in Südafrika sind gewisse politische Kräfte daran interessiert, Unruhen zu stiften.
Dabei bedienen sie sich der in Khayelitsha ohnehin zahlreich vorhandenen Jugendbanden und stacheln sie auf, gegen die Ausländer zu Felde zu ziehen. Pikant wurde die Geschichte außerdem dadurch, dass am gleichen Tag eine Gruppe Somalis festgenommen wurde, die begonnen hatte sich zu bewaffnen - unter anderem mit Waffen, die der Polizei gestohlen worden waren.
Die ganze Entwicklung ist also wieder mächtig dazu geeignet die Angst vor den Townships zu schüren. Doch für unbeteiligte Außenstehende ist diese Angst unbegründet. Ich kann mich - in Begleitung - immer frei bewegen in Khayelitsha ohne überhaupt behelligt zu werden. Auf dem gleichen Treffen heute Morgen sprach ich mit einer Kollegin, die vor Jahren eine Studie zur Überwindung der Apartheid in Khayelitsha durchgeführt hat. Auch sie, eine ältere weiße Dame, hat sich nie unwohl gefühlt auf ihren Wegen durchs Township. Tatsache ist aber, dass die Wahrnehmung der weißen Bevölkerung Südafrikas vollkommen anders ist:
Diese befinden sich in einer Situation eines absehbaren schleichenden Bedeutungsverlust - allein zahlenmäßig sind sie nur noch eine von vielen Minderheiten im Lande. Und auf lange Frist wird sich das auch auf ihren Einfluss auswirken. Gleichzeitig befinden sich viele wohlhabende Weiße schon heute in einer Art dauerndem Belagerungszustand, indem sie hinter hohen Mauern und teurer Sicherheitstechnik leben. Kein Wunder, dass sie Angst haben, diese riesige neue Übermacht in ihrem Land näher kennen zu lernen. Und so fahren die wenigsten weißen Südafrikaner jemals in die Townships hinein - und so bilden sich viele Mythen über die Gefahren die dort auf sie lauern.
Die Aussage der Bewohner Khayelitshas zur Überwindung der Apartheid lautete übrigens: Wenn die Weißen in unseren Vierteln unsere Waren kaufen, in unseren Betten schlafen und in unseren Restaurants essen - dann ist die Apartheid überwunden.
Derweil bereitet sich VPUU nach der heutigen Sitzung darauf vor, dass die gerade abgeschlossene Wieder-Aufbau-Arbeit für die letzten Übergriffe im Juni bald wieder von vorne anfangen kann.
Bilder (oben): Eintreffen am Einsatzort. Eine Kolonne Polizeiwagen eilt zu einem in Not geratenen somalischen Shopbesitzer. (unten:) Afrikanische Tänze halten diese Kinder von der Straße fern.
Freitag, 12. September 2008
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1 Kommentar:
Hallo Simon, wir sind immer aufmerksame Leser deiner Nachrichten !
Pass auf dich auf,
G+J
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