Dienstag, 30. September 2008

Die Besteigung des Tafelbergs (und anderes)

Ich habe eingesehen, ein Artikel über die verschiedenen Landkarten, die bei uns hergestellt werden ist vielleicht nicht der große Renner. Zurück zur blutigen Realität!
Am letzten Wochenende habe ich endlich den Tafelberg bestiegen. Zuvor war ich auf dieser Expedition immer wieder an schlechtem Wetter oder skeptischen Mitkletterern gescheitert. Schließlich aber lief alles glatt. Die Wanderung war wunderschön. Vom botanischen Garten in Kirstenbosch ging es in eine enge Schlucht und entlang eines Wasserfalls steile Wände hoch. Insgesamt etwa 1300 Meter mussten überwunden werden, bis wir schließlich auf dem Hochplateau angelangt waren. Dort ging es dann noch durch eine steinige Busch-Landschaft eine ganze Weile weiter bis wir schließlich an der Bergstation des "Cableways" angekommen sind.
Der Ausblick war natürlich fantastisch. Nicht zu vergleichen mit einem der anderen Hügel um Kapstadt oder dem Blick von einem Turm. 1300 Meter sind da schon eher der Blick aus einem Flugzeug mit großen Fenstern.

In der Woche war dann noch eine andere Kapstadter Sehenswürdigkeit angesagt: Die große Shopping-Mall von Century City. Ein größeres Einkaufszentrum habe ich noch nie gesehen. Während die Waterfront von Kapstadt noch vergleichsweise zurückhaltend gestaltet ist und sich irgendwie in die alte Hafenkulisse einpasst, so ist dieses Monster schon eher mit den großen Casinos von Las Vegas zu vergleichen. Riesige, im italienischen Stil gehaltene Bogengänge auf mehreren Ebenen vereinen hunderte Geschäfte, Restaurants und Kinos unter einem gigantischen Dach.

In diesen Shoppingmalls findet das städtische Leben Südafrikas statt. Die Innenstädte sind vergleichsweise tot. Hier hat niemand Angst beklaut zu werden, hier gibt es keine dunklen Ecken. Hier gibt es nur einen Flagshipstore am nächsten, Mode aus Europa und auffällig viele Skater- und Surferklamotten-Geschäfte. Die Glitzerwelt von Century City ist wirklich angenehm - eine Runde Geschäfte gucken, eine leckere Pizza, anschließend der neue Abba-Film im Kino - doch auf der anderen Seite liegt hierin der Grund dafür, warum es selbst in einer so großen Stadt wie Kapstadt kaum mehr als eine belebte Einkaufs- und Ausgehmeile gibt. Der von kleinen gemütlichen Altstädten verwöhnte Europäer tut sich da doch eher schwer.














Am Mittwoch hatte ich ein geschäftliches Meeting in einer Webseiten-Agentur. Die Firma betreut den Internetauftritt unserer Firma. Ich hatte eigentlich nur vor, ein paar Updates darauf einstellen zu lassen und fuhr dazu in den hippen Vorort Observatory. Dort fand ich mich sehr bald in einem ungemein spritzig jungen Start-up wieder, in dem sehr kreative Menschen (fast alles Frauen) an riesigen Schreibtischen mit großen Bildschirmen saßen. Ich bekam sogleich etwas zu trinken und schon stürzten sich gleich 4 Kolleginnen auf mein Problem und hatten mein kleines Anliegen in 10 Minuten zu einem riesigen Projekt aufgeblasen. Als ich nur wenige Minuten später leicht benommen zur Tür wankte, war gerade beschlossen worden die gesamte Webseite vollkommen umzubauen und uns dafür eine (wahrscheinlich schweineteure) Kostenabschätzung (Quote) zukommen zu lassen. Zur eigentlichen Arbeit (ich hatte damit gerechnet dabei zuzusehen wie meine Bildchen, Texte und Landkarten zu einer Internetseite zusammenwachsen) war es noch gar nicht gekommen denn "nun müssen wir zunächst mal über das finanzielle mit deinen Chefs sprechen". Ein ganz klein bisschen hatte ich ein schlechtes Gewissen auf der Heimfahrt.

Freitag, 26. September 2008

Landkarten

In meinem Praktikum fahre ich nicht nur den lieben langen Tag im Township herum und treffe viele Leute. Manchmal geht es auch um wissenschaftliches Arbeiten und statistische Erhebungen. In den Vierteln von Khayelitsha, die wir bearbeiten, werden zunächst einmal Befragungen durchgeführt um etwa Informationen über vorhandene Infrastruktur, Wirtschaft oder Kriminialitätsprobleme zu erhalten.
Diese Informationen werden dann oft in Landkarten verarbeitet. Einige Beispiele habe ich hier aufgeführt:













Diese Karte zeigt die formale Funktionsunterteilung von "Site C" - einem der vielen Viertel in Khayelitsha. Obwohl hier klar abgegrenzte Grundstücksgrenzen eingezeichnet sind sieht die Realität viel komplizierter aus: Auf den meisten Grundstücken stehen mehrere Shacks und wohnen mehr als eine einzelne Familie. Dieses Gebiet wird erst seit neuestem von VPUU "betreut", es werden Projekte gestartet und Pläne für bauliche Veränderungen erstellt.
Die zweite Karte zeigt die wahrgenommene Kriminalität in dem Teil von Khayelitsha, in dem ich meist unterwegs bin: Je roter die Linie, desto gefährdeter fühlen sich die Bewohner wenn sie dort unterwegs sind. Auf vielen Straßen in Khayelitsha kommt es vor allem in den Abend und Nachtstunden zu überfällen, oft auch mit Waffengewalt. Außerdem sind Vergewaltigungen ein enormes Problem.











Die letzte Karte zeigt ein Projekt, bei dem ich unmittelbar beteiligt bin: Die roten Punkte markieren Standorte im Viertel, an denen wir wöchentlich Fotos schießen um Veränderungen festzustellen. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht, daran zu arbeiten die riesige Datenflut aus zwei Jahren zu organisieren, zu verwerten und die Qualität der Fotos zu verbessern. Außerdem habe ich an wichtigen Punkten im Viertel weitere Standorte hinzugefügt und bin mit den Fotographen die Strecke mehrmals abgelaufen.













Die nächste Woche ist fast schon die letzte auf der Arbeit. Deshalb habe ich mir eine Karte mit verschiedenen Informationen zusammengestellt und auf A1 ausgedruckt. Ein schönes Andenken für meine neue Bude in Mainz.

Dienstag, 23. September 2008

Regierungskrise und Beauty Fair

Bei der gegewärtigen Regierungskrise in Südafrika stehe ich ganz klar auf der Seite der Verlierer. Meine gerade frisch erworbenen Beziehungen an die Spitze sind wertlos geworden: Meine gute Bekannte, Justizministerin Mabandla hat inzwischen - genau wie die meisten anderen Kabinettsmitglieder auch - ihren Rücktritt erklärt.














Vorausgegangen ist dem ganzen der unerbittliche Machtkampf zweier ANC-Lager. Auf der einen Seite steht Mbeki, gerade abgesägter Präsident des Landes und auf der anderen Seite Zuma, gerade freigesprochener Krimineller (so zumindest die Lesart der Mehrheit meiner Kollegen). Was nun bis zu den Wahlen im nächsten Jahr geschehen soll ist noch nicht ganz klar. Ein Übergangspräsident wird bestimmt und der ANC wird versuchen seine Anhänger wieder zu vereinen. Doch Skepsis macht sich breit: Wird es in den nächsten Wochen ruhig bleiben? Mein Kollege Roman aus Khayelitsha zitierte heute einen Zeitzeugen des südafrikanischen Krieges von 1795 (Franzosen gegen Holländer gegen Engländer oder so ähnlich): Der Krieg der Könige ist vorbei, der Krieg des Volkes beginnt.

Zuallererst gönnt sich das Volk Morgen aber mal einen Feiertag - es ist Heritage Day.

Diese Woche war ich außerdem wieder in Khayelitsha. Dort habe ich im Rahmen meiner Arbeit zu den Case Studies auch viel mit Organisationen zu tun, die von sehr jungen Leuten gegründet werden. Meistens handelt es sich um Musikgruppen, Bands, die sich aber auch in ihrer Community engagieren. Es ist beeindruckend was viele von ihnen auf die Beine stellen. "Young Rhymes" ist eine dieser Gruppen, neben ihrer eigenen Musik machen sie viel mit Schulkindern, auch abseits ihres angestammten Metiers: Ein Mitglied der Gruppe habe ich dabei begleitet, wie er Schulkindern Schach-Unterricht gibt.














Eine andere Gruppe ist Kuphuka. Der "Leader" - Dali - hat schon eine eigene CD herausgebracht und etwa 5000 Kopien in seiner Gegend verkauft. Oft an die kleinen Minibusse, mit denen ich auch zur Arbeit fahre. Für ihre dicken Anlagen können sie die Musik aus den Townships gut gebrauchen. Nun ist die Gruppe dabei, mit kleinen Kindergartenkindern eine "Spring Beauty Fair" aufzuziehen. Die kleinen üben fleißig "Macarena" und sollen auch eine echte Modenschau vorführen. Den richtigen Laufstil lernen sie ebenfalls bei Kuphuka.

Foto: Das soll am Wochenende "Macarena" sein. Mit ein bisschen mehr Übung soll die Aufführung am Wochenende perfekt gelingen.

Sonntag, 21. September 2008

Landpartie mit Löwe

Dieses Wochenende habe ich mit der Kollegin Luisa einen Ausflug ins Hinterland unternommen. Auf dem Weg haben wir viele sehr nette und hilfreiche Menschen kennen gelernt.














Das lag daran, dass unser Auto - wenn es einmal ausgeschaltet war - oft keine Lust mehr hatte anzuspringen. Aber mit etwas fachmännischer Hilfe - oder wo die nicht vorhanden war Muskelkraft - konnten wir es doch immer wieder anwerfen.














Die erste Station der kurzen Reise war Ceres, ein zu dieser Jahreszeit noch verschlafenes Nest in einem rundum abgeschlossenen Tal, das für seine Fruchtsäfte berühmt ist. Dort scheiterten wir bei dem Versuch einen Berg zu besteigen. Das Unternehmen war umfangreicher als es sich zunächst gab. Auf rund 2 Dritteln des (nicht vorhandenen) Weges zum Gipfel mussten wir umdrehen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück im Städtchen einzutreffen.














Der nächste Tag führte uns weiter nach Osten ins Hinterland. Die Teerstraße wurde zur Schotterpiste. Die Schotterpiste wurde zur schlechten Schotterpiste. Doch schließlich erreichten wir Inverdoorn, eine Lodge von wo aus Safaris ins nahe Game Reserve angeboten werden. Und so kamen wir schließlich zu unseren ersten Fotos von Zebra, Rhino, Giraffe, Gepard und Löwe. Und das ist es doch was man will, wenn man nach Afrika fährt.

Fotos: (oben:) Unser Auto hatte des öfteren keine Lust mehr. Aber sowohl der Tankwart als auch die Erntehelfer, als auch der andere Tankwart waren sehr hilfsbereit, als es darum ging die alte Karre wieder auf die Beine zu bringen. (mitte:) Blick auf das sehr nette Städtchen Ceres. (unten:) Ein Member der Big Five: Die Giraffe. Hier ein männliches Exemplar.

Mittwoch, 17. September 2008

Nigerianische Filmklassiker

Viel Arbeit diese Woche, langsam kommen Gedanken auf, ob ich mein Pensum bis Ende des Praktikums schaffe. Noch habe ich drei Wochen, danach beginnt die große Safari.














Am letzten Wochenende war ich mit der Kollegin Luisa in Hermanus, Wale gucken. Die Wale waren auch da, aber wohl aufgrund des windigen und wechselhaften Wetters sprangen sie nicht etwa wie Free Willy übers Meer, sondern bequemten sich lediglich sehr gelassen an uns vorbei zu schwimmen. Während wir so auf dem Felsen ausharrten und nach den Walen spähten, unterhielten uns kleine, runde, pelzige Tierchen - unserer Einschätzung nach Lemminge, die nur darauf warteten sich selbstmörderisch von selbem Felsen zu stürzen. Meine erste Schlange habe ich auch endlich in freier Wildbahn gesehen - gerade überrollt von einem kleinen Kind auf einem Skateboard, das darüber auch sehr traurig war. Die Schlange lebte noch - aber wohl nicht mehr sehr lange.

Zurück in Kapstadt habe ich heute mal den Chefsessel in der Firma eingenommen. Ein Tag an der Spitze des Unternehmens sozusagen, allerdings aus dem einfachen Grund, dass an meinem eigentlichen Arbeitsplatz heute Vorstellungsgespräche stattgefunden haben. Die Lebensläufe von 95 Bewerbern hatte ich in der Woche zuvor in Excel-Tabellen eingegeben und mich so manches Mal über lustige Fehler im Wort "Curriculum Vitae" amüsiert. In der Tat waren aber auch erschreckend viele extrem qualifizierte Bewerber darunter - eine Tatsache, die der enormen Arbeitslosigkeit, speziell unter Schwarzen in Südafrika geschuldet ist.

Zuhause habe ich inzwischen nicht mehr jede Nacht die Heizung laufen. Doch die Wetterbesserungen sind noch sehr vage. Claude und ich haben uns angewöhnt Filmabende zu veranstalten - thematisch versuche ich mich natürlich an das Thema Afrika heranzutasten. Nach "Blood Diamond", der "letzte König von Schottland" (der tätsächlich in Uganda residierte) und "Lord of War" mussten wir gestern Abend Zugeständnisse an Maggie machen und etwas mit mehr Herzschmerz aussuchen. Dafür besonders gut geeignet: Nigerianische Klassiker wie "the Female Lion" (1 und 2), "End of Pride"(1 und 2) oder "Now and Forever" (1 und 2).














Die Filme sind mit einfacher Handkamera gedreht und auf V-CDs gebrannt, die afrikaweit auf die Märkte wandern. Gesprochen wird "Broken English", was vor allem für romantische oder dramatische Szenen einen besonderen Reiz hat. Die Handlung von "Now and Forever" (1 und 2) in Kürze:

Der reiche Hauptdarsteller hat als Kind seinem sterbenden Vater versprochen, seine Mutter stets glücklich zu machen und alles sieht aus, als würde ihm das gelingen, als er 25 Jahre später seine Verlobte vorstellt. Kurz vor der Hochzeit muss sich der Hauptdarsteller (HD) aber wieder einmal mit dem unzuverlässigen Hauspersonal streiten, das schlecht mit seiner Mutter umgeht. Der garstige Hausdiener wird - nachdem er gefeuert ist - noch boshafter und ersticht die Verlobte, die nach langem Überlebenskampf auch endlich in den Händen des HD verstirbt.
Die Trauer ist groß, doch Mutti wird bald 58 und will an diesem Tage endlich eine neue Verlobte in den Armen ihres Sohnes sehen. Der sieht sich dazu nicht im Stande, will seine Mutter aber auch nicht enttäuschen und engagiert eine Nacht-Club-Bekanntschaft, um seiner Mutter etwas vorzuspielen. Nach 3 Wochen gemeinsam im Haus der Mutter merkt der HD, dass er sich in jene Frau aus dem Nachtclub verliebt hat. Das gleiche gilt für sie - sie wollen zusammen bleiben. Dummerweise hatten sie der überglücklichen Mama erzählt, sie käme aus London und sei sehr vermögend. Dieses Problem wird in einem dramatischen Geständnis gelöst. Freunde des HD erklären aber, die Frau aus dem Nachtclub sei eine Nutte und habe schon mit jedem von ihnen geschlafen. Der HD wird wütend (auf seine neue Freundin) und nachdem er sie verärgert verlassen hat fährt er eine Weile ratlos mit seiner Stretchlimousine durch das beschauliche Lagos. Schließlich kommt heraus, dass die Dame ganz züchtig war und seine Freunde dummes Zeug geredet haben. Am Ende sitzt seine neue Angebetete am Steuer seiner langen Limousine (sie hat den Rock mit dem eigentlichen Chauffeur getauscht) und überrascht ihren überglücklichen neuen Ehemann. Sie leben glücklich und zufrieden bis an ihr Ende...

Bilder: Leider keine Wal-Fotos - nicht weil wir keine gemacht hätten, nur leider sind sie bei einem Computerabsturz verloren gegangen. Dafür Fußball aus Kahyelitsha - dort habe ich ein Turnier gefilmt am Wochenende. Das untere Bild zeigt einige Filme die diese Woche direkt aus Nigeria per Post eingetroffen sind.

Freitag, 12. September 2008

Township troubles

Gestern Nachmittag war ich noch recht spät auf einem Termin im Township. Ich besuchte ein Haus zur Betreuung von Schulkindern an Nachmittagen. Das soll verhindern, dass die Jugendlichen auf den Straßen herum laufen und mit Kriminalität und Drogen in Berührung kommen.














Als ich fertig war holte mich wie gewöhnlich mein Kollege Theo, seines Zeichens "Community Facilitator", ab. Bevor wir aber zurück in die "Basis" fuhren, wollte er noch eine Runde durch die Gegend drehen. Gerüchteweise rotteten sich wieder einmal Gruppen zusammen, um bei den Ausländern für Unruhe zu sorgen. Tatsächlich trafen wir auf ein paar solcher Gruppen, doch bei einem kurzen Gespräch gaben sich alle ganz friedfertig und harmonisch.

Kurze Zeit später allerdings befanden wir uns mit Vollgas hinter einer ausrückenden Einheit der Polizei. Das Ziel der Reise war ein Shop eines Somali der gerade in Schwierigkeiten geraten war - der Spuk war vorrüber so schnell er begonnen hatte, dutzende Polizisten stürmten in den Laden und verhinderten Schlimmeres. Heute Morgen dann gab es ein Meeting zu unter anderem diesem Thema.

In dem Treffen fassten verschiedene Kollegen die Hintergründe zusammen. Bei einem weiteren Vorfall gestern ist demnach größerer Schaden entstanden - rein materiell, indem der somalische Ladenbesitzer um einen Gutteil seines Inventars gebracht wurde. Vorausgegangen war der Aktion eine Briefaktion der südafrikanischen Organisation der Shop-Besitzer, in dem sie die somalischen Shop-Besitzer aufforderten bis 24. September ihre Geschäfte zu schließen. Dieser Brief wurde nachträglich zurück genommen. Alles hat offenbar einen hochpolitischen Hintergrund, im Zusammenhang mit den kommenden Wahlen in Südafrika sind gewisse politische Kräfte daran interessiert, Unruhen zu stiften.

Dabei bedienen sie sich der in Khayelitsha ohnehin zahlreich vorhandenen Jugendbanden und stacheln sie auf, gegen die Ausländer zu Felde zu ziehen. Pikant wurde die Geschichte außerdem dadurch, dass am gleichen Tag eine Gruppe Somalis festgenommen wurde, die begonnen hatte sich zu bewaffnen - unter anderem mit Waffen, die der Polizei gestohlen worden waren.

Die ganze Entwicklung ist also wieder mächtig dazu geeignet die Angst vor den Townships zu schüren. Doch für unbeteiligte Außenstehende ist diese Angst unbegründet. Ich kann mich - in Begleitung - immer frei bewegen in Khayelitsha ohne überhaupt behelligt zu werden. Auf dem gleichen Treffen heute Morgen sprach ich mit einer Kollegin, die vor Jahren eine Studie zur Überwindung der Apartheid in Khayelitsha durchgeführt hat. Auch sie, eine ältere weiße Dame, hat sich nie unwohl gefühlt auf ihren Wegen durchs Township. Tatsache ist aber, dass die Wahrnehmung der weißen Bevölkerung Südafrikas vollkommen anders ist:














Diese befinden sich in einer Situation eines absehbaren schleichenden Bedeutungsverlust - allein zahlenmäßig sind sie nur noch eine von vielen Minderheiten im Lande. Und auf lange Frist wird sich das auch auf ihren Einfluss auswirken. Gleichzeitig befinden sich viele wohlhabende Weiße schon heute in einer Art dauerndem Belagerungszustand, indem sie hinter hohen Mauern und teurer Sicherheitstechnik leben. Kein Wunder, dass sie Angst haben, diese riesige neue Übermacht in ihrem Land näher kennen zu lernen. Und so fahren die wenigsten weißen Südafrikaner jemals in die Townships hinein - und so bilden sich viele Mythen über die Gefahren die dort auf sie lauern.

Die Aussage der Bewohner Khayelitshas zur Überwindung der Apartheid lautete übrigens: Wenn die Weißen in unseren Vierteln unsere Waren kaufen, in unseren Betten schlafen und in unseren Restaurants essen - dann ist die Apartheid überwunden.

Derweil bereitet sich VPUU nach der heutigen Sitzung darauf vor, dass die gerade abgeschlossene Wieder-Aufbau-Arbeit für die letzten Übergriffe im Juni bald wieder von vorne anfangen kann.

Bilder (oben): Eintreffen am Einsatzort. Eine Kolonne Polizeiwagen eilt zu einem in Not geratenen somalischen Shopbesitzer. (unten:) Afrikanische Tänze halten diese Kinder von der Straße fern.

Montag, 8. September 2008

Von Predigern und Heilern

Ein afrikanischer Gottesdienst - so hatte es mir Luisa, eine andere Praktikantin hier in Kapstadt erzählt - sei eine sehr beeindruckende Sache. Auf eine Einladung hin hatte sie selbst an einem teilgenommen. Der hatte vier Stunden gedauert und für sie selbst eine Einführung in den Kreis der Gläubigen beinhaltet - mit Beschwörungen und Austreibungen und was man sich nicht alles vorstellt.














Von diesem Gedanken fasziniert, erkundigte ich mich bei Claude, meinem Vermieter, wo er denn zur Kirche gehe und ob ich nicht mal mitkommen könne. Klare Sache - gar kein Problem.
Die "Life Church" ist gerade die Straße hinunter - und wieder vollkommen anders, als ich mir das vorgestellt hätte. Zunächst einmal habe ich das Gefühl ins Kino zu gehen, denn das Gebäude sieht nun überhaupt nicht nach Kirche aus. Schließlich finde ich mich in einer super-modernen, ebenfalls sehr temperamentvollen, aber weniger afrikanischen Messe wieder. Während eine christliche Rockband und eine christliche Hip-Hop-Dance-Gruppe auf der großen Bühne ordentlich Leben in die Bude bringen, beginnen die Zuschauer in ihren Kinosesseln trance-artig ihre Arme zu heben und immer wieder laut "Amen!" zu rufen.

Auf die Bühne tritt dann der Prediger und sprüht vor guter Laune. Gleich wie ein Entertainer springt er von der einen Seite zur anderen, um uns allen einzuprägen, dass wir Zeugnis ablegen sollen vor unseren Mitmenschen. Wir sollen mehr und mehr Leute überzeugen, dieser Kirche beizutreten. Alle neuen Kirchenbesucher ruft er zu sich auf die Bühne (ich bleibe stoisch sitzen), nur um sie dann an seine Assistentin weiter zu leiten, die sich schnell noch die Kontaktdaten geben lässt.














Ich muss etwas schlucken als ein weiterer - offensichtlich international aktiver Prediger, die Bühne betritt und berichtet, wie in den nächsten 12 Monaten 900 Schulen in der Kapregion besucht werden sollen, um vor sämtlichen Schülern das gleiche Zeugnis abzulegen und sie alle in dieser Kirche zu vereinen. Und so ist auch die einzige Botschaft des Tages: mehr Menschen in diese Kirche zu holen, locken, treiben - aber jegliches Unbehagen diesbezüglich geht schließlich in den Klängen der Rockband, die zum Abschluss noch einmal aufspielt, unter. Bei den meisten zumindest.

Anschließend geht es nach Langla - zum Braai. Langla ist ein Township bei Kapstadt, das durch seine immens hohe Mordrate hervorsticht - andererseits aber auch eine ungemeine Anziehungskraft ausübt: Denn hier soll es den besten Braai der ganzen Kap-Region geben. Und so ist eine Menge Gedränge vor dem Laden, in dem man sich erst sein Fleisch aussucht um es dann an Ort und Stelle in Soße tunken und schließlich grillen zu lassen. Im Innern des Geschäfts geht es zu wie bei der Börse, doch mit Claude und Maggie im Schlepptau kann ich mich als einziges Bleichgesicht sogar trauen einige Fotos zu schießen.














Während wir auf unser Braai warten machen wir noch eine kurze Runde über die Geschäfte und Stände am Ort und landen schließlich am wohl unheimlichsten Ort, den ich bisher hier gesehen habe: In der "Praxis" eines Naturheilers.
In fast vollkommener Dunkelheit streift man durch einen niedrigen Raum an dem überall Schlangenhäute und Tierfüße von der Decke baumeln - allerlei Amulette und Skelette. In den Regalen stehen hunderte und tausende kleiner Fläschchen mit zerstampftem Allerlei und merkwürdigen Gebräuen. Hinter einem Gitter scheint eine schwache Kerze und dort sitzt auch der Heiler. Er gibt leise Ratschläge an einen Mann, der davor kniet und gerade irgendein Malheur am Hals haben muss. Da hier alle Xhosa sprechen verstehe ich leider nicht worum es geht. Dafür finde ich den Assistenten des Heilers und verhandle mit ihm über die Möglichkeit Fotos zu schießen - mit Unterstützung durch Claude sogar mit Erfolg.

Fotos (oben:) Er empfängt schon den heiligen Geist während die anderen noch profan gucken. (mitte:) Hier wird Braai gemacht. (unten:) "Praxis" des Naturheilers. Im Chaos lebt das (Naturheiler-) Genie.

Mittwoch, 3. September 2008

Zu Fuß durchs Township

Diese Woche war ich viel in Khayelitsha unterwegs. Inzwischen kann ich mich in dem Township auch einigermaßen orientieren, sodass ich gelegentlich mit meinem eigenen Wagen zu Terminen fahre und nicht mehr auf Mitfahrgelegenheiten von Kollegen angewiesen bin.

Meistens geht es zuerst zu "stocks n' stocks", sozusagen dem Basislager von VPUU in dem Viertel. Der Komplex gehört der Stadt Kapstadt, beherbergt einige Verwaltungseinrichtungen und sieht aus wie ein Hochsicherheits-Gefängnis. Bei der Einfahrt passiert man gleich zwei Stahltore mit Wachpersonal und ein hoher Zaun mit Stacheldraht und Kamera-Überwachung schirmt das Gelände gegen das potenziell explosive Umfeld ab.














Von dort aus geht es dann in der Regel mit Begleitung durch einen der Community-Facilitators weiter zu den eigentlichen Terminen im Township. Diese Community Facilitators kommen aus dem Viertel und kennen sich gut aus - sie dienen als Bindeglieder zwischen der Verwaltung und unserem Projekt sowie der Bevölkerung. Meistens fahren sie mich zu meiner Verabredung und holen mich später nach telefonischer Benachrichtigung wieder ab.

Bei schönem Wetter, wie diese Woche, sieht Khayelitsha sehr versöhnlich aus und die vielen Menschen auf den Straßen grüßen freundlich bis neugierig. Am Montag war ich mit einem unserer Leute aus dem Viertel unterwegs um die wöchentliche Aufnahme der "Monument Photos" zu überprüfen. Diese Fotos werden jede Woche an einer Reihe von Standorten im Township aufgenommen um Veränderungen feststellen zu können.














Selbst während wir mit der Kamera herum hantierten, fühle ich mich niemals unwohl. Speziell die Kleinen sind ganz begeistert, wenn sie auch mal durchs Bild laufen dürfen und die Mädchen kommen sich schon wie halbe Berühmtheiten vor. Auf diese Weise habe ich mir inzwischen das halbe Township erlaufen.

Heute war ich wieder mal bei einem der Kindergärten. Die Gründerin wird am Wochenende ein Zertifikat für ihre gute Mitarbeit und Verlässlichkeit erhalten. Aber dafür muss sie einen Vortrag halten - ihre erste Powerpoint-Präsentation. Die Präsentation habe ich für sie erstellt und heute vorgeführt. Es war die erste solche Präsentation, die sie je gesehen hat. Anschließend haben wir ihren Vortrag geübt. Dafür habe ich die Köchin und zwei der Kindermädchen als Publikum in die eine Ecke des Zimmers gesetzt und dann einige Tipps zu Haltung und Vortragsstil gegeben. Die Proben liefen zunächst stockend, doch auf jeden Fall für alle Seiten sehr belustigend ab.














Danach ging es an eine der Schulen des Viertels. Dort bietet ein ehemaliger Mitschüler Schach-Unterricht an und hat von VPUU die nötigen Schachbretter finanziert bekommen. Noch sind die Schachzüge seiner Schützlinge nicht sehr durchdacht und ein Turnier kann leider noch nicht stattfinden - "weil sie noch nicht wissen, wie man jemanden Schach-Matt setzt" erklärt Luzuko, der junge Lehrmeister.

Mit einem der Community-Facilitator, Theo, laufe ich später noch über den Bahnhof von Khayelitsha, um etwas vom aktuellen Tratsch zu erfahren. Die Gegend ist ein Brennpunkt im Viertel und Theo schaut ernst. Es gehen Gerüchte um, dass es bald wieder zu Übergriffen auf ausländische Afrikaner kommen könnte. Der Geheimdienst wurde von den Community Facilitators schon informiert. Bei aller Beschaulichkeit: Die nächsten Wochen könnten wieder gefährlich werden, im Pulverfass Khayelitsha.

Bilder (oben): Eines der Monument-Fotos. Dieses ist die Gegend um den Bahnhof von Khayelitsha. Der inoffizielle Markt an dieser Stelle soll bald weg kommen. (mitte): Präsentation üben im Kreise der Kindergarten-Angestellten. (unten:) Young rhymes chess club beim trainieren.

Montag, 1. September 2008

Sturm am Ende der Welt















Es stürmt ordentlich am Kap der guten Hoffnung. Jetzt draußen auf einem der kleineren Schiffe zu sein ist vermutlich keine so gute Idee. An die Küste schwappen Wellen zwischen 5 und 7 Metern Höhe und überspülen auch so manche Küstenstraße. Nicht gerade beruhigend, wenn man selbst gerade mal einen Block entfernt vom Meer wohnt.














Gestern Abend war ich im reichen Vorort Camps-Bay, mit vielen Villen in maritimer Lage. Doch die Situation sah inzwischen eher wie in einem Katastrophengebiet aus: Die Straße entlang des Strandes war von waberndem Schaum bedeckt - vermutlich das beste aus Öl, Schmutz und alten Chemikalien. Weiter hinten tobte - und tobt - der Südatlantik.