Freitag, 5. Dezember 2008

St Lucia Wetlands Park















Mtubatuba heißt ein Ort auf unserer Fahrt nach Osten, Richtung Küste. Es ist bereits dunkel als wir dort eintreffen, aber die Straßen sind voller Leben. Hier wohnen nur schwarze Südafrikaner. Auf eine seltsame Weise lassen sich sehr viele der kleineren Ortschaften durch die wir kommen klar in Kategorien einteilen - entweder nur schwarz oder rein weiß. Wir decken uns mit Proviant ein und machen uns auf das letzte Stück in Richtung Küste. Wir fahren durch Buschland und nähern uns den Mangroven des St. Lucia Wetland National Parks.

Auf dem Weg fällt uns plötzlich der Schein eines großen Feuers ins Auge. Der Busch brennt. Nicht weit von der Straße entfernt steht ein großes Gebiet in Flammen. Das Phänomen werden wir auf unserer Reise noch öfter beobachten - es ist Trockenzeit und viele der Feuer werden absichtlich gelegt.

Auch in den Wetlands selbst hat die Dürreperiode der letzten Jahre deutliche Spuren hinterlassen. Der Wasserspiegel des Gebiets ist unter Meereshöhe gefallen. Nur ein schmaler Strand trennt das empfindliche Ökosystem der Wetlands vom Salzwasser des indischen Ozeans. Bräche dieses Wasser in die Wetlands ein wären die Folgen möglicherweise katastrophal. Eine Vielzahl von Vögeln wie dem Kingfisher und zahlreiche Säugetiere haben hier ihr natürliches Habitat. Auf einer Bootstour am nächsten Morgen entdecken wir zahlreiche Nilpferd-Herden und passieren einige Krokodile, die hier durchaus auch gelegentlich einen verirrten Menschen fressen.















In unserem Motel hängt ein solches Foto: Arme, Beine und andere Körperteile liegen neben einem erlegten Krokodil. Wer der Mann war, der durch das Tier sein Leben verloren hat weiß niemand. Der Vorfall liegt nur wenige Wochen zurück.

Eine andere Spezies lernen wir kennen, als wir morgens das Motel-Zimmer verlassen wollen. Eine ganze Affenbande belagert unsere Tür und Fenster und fordert frech Anteil an unserem Frühstück. Die Tiere sind hier im Ort schon fast als Plage zu bezeichnen - für uns Besucher aber natürlich eine lustige Unterhaltung. Nur muss man vorsichtig sein: Die Nachbarin warnt uns, dass diese Grünmeerkatzen gerne beißen.

Wir wandern an den indischen Ozean. Zunächst über Holzplanken und dann einfach über den großen Strand von Estuary Beach. Hier kann man direkt sehen wie viel Höher das Meer im Vergleich zum ehemaligen Mündungsgebiet des Lake Saint Lucia und des Hluhluwe-Rivers liegt. Einige Fischer sitzen hier und haben ihre Angeln ausgeworfen. Die einen zum Meer hin, die anderen in Richtung Süßwasser. Und ganz plötzlich stehen wir wenige Meter vor einem respekteinflößenden Tier. Ein Krokodil liegt wenige Meter von einigen Anglern entfernt am Strand und rührt sich kaum. Vorsichtig nähern wir uns für ein Gruppenfoto mit Krokodil - wie schnell wäre es wohl bei uns, wenn uns seine Instinkte als fette Beute identifizierten?

Dienstag, 11. November 2008

Große Tiere

Wir erreichen Hluhluwe, eine Kleinstadt in der Nähe des gleichnamigen Reservats. Hier werden wir unsere ersten großen Tiere sehen. In der Nähe der Stadt, auf der Suche nach unserer Unterkunft sehen wir direkt neben der Straße unsere erste Giraffe grasen.














Wir erreichen eine Lodge mit angeschlossenem privatem Game Park. Die Lodge liegt in wunderschöner Natur, genau wie man sich Afrika vorstellt. Savanne, trockene, niedere Wälder und Grasland. Auf dem großen Rasen vor der Lodge tummeln sich Warzenschweine oder Antilopen. Die Lodge ist eine relativ teure Unterkunft, inklusive Abendessen zahlen wir pro Person etwa 300 Rand (27 Euro). Aber das Büffet ist reichhaltig - es gibt unter anderem Wilderbeest-Fleisch - und die Zimmer sind recht geräumig und angenehm. Allein die Chefin macht einen knauserigen Eindruck und läd einem nicht gerade viel auf den Teller. Die anderen, deutlich älteren Gäste mögen das so gewohnt sein, ich gehe etwa 4 mal Nachschlag holen.
Schließlich, als es bereits seit langem dunkel ist, sitzen wir noch zu dritt an der Bar im Garten und unterhalten uns mit dem Barmann. Er bringt uns einige Zulu-Ausdrücke bei, wie zum Beispiel "was kosten die Orangen" und "ich habe leider kein Kleingeld".
Am nächsten Tag geht es in den Hluhluwe Park. Wir entschließen uns dafür, mit dem eigenen Auto - King Shaka - durch den Park zu fahren.
Schon kurz nachdem wir durch ein großes Gatter gefahren sind laufen uns die ersten Giraffen über den Weg. Auch Zebras gibt es sofort reichlich zu sehen. Von hinten und aus der Ferne glauben wir außerdem einen Wasserbüffel zu erkennen. Die ersten Stunden im Park sind sehr ergiebig und bald haben wir schon einige Tiere aus unserem Park-Führer abgehakt: Affen, Antilopen verschiedenster Art und Wilderbeest.














Doch dann kommen die Mittagsstunden. Zunächst vermuten wir eine zufällige Durststrecke - stundenlang fahren wir umher und finden nur höchst vereinzelt einige müde Tiere. Doch es wird offensichtlich, dass es die Hitze ist, die die Tiere ins Gehölz treibt. Am Abend, als es kühler wird, werden wir ganz plötzlich wieder an jeder Ecke von dicken Nashörnern, Wasserbüffel-Herden oder Kudus aufgehalten. Nur die Elefantenherde, die - so berichten andere Gäste und das schwarze Brett - nach Süden zieht, holen wir den ganzen Tag lang nicht ein. Elefanten und Löwen stehen schließlich auch noch auf unserer Wunschliste als wir schließlich den Park verlassen müssen. Aber es wird noch mehr Möglichkeiten geben, diese Tiere zu sehen. Nun sind wir erstmal unterwegs ins Krokodil-Land: An die Küste des indischen Ozeans.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Raus aus Kapstadt, rein ins Vergnügen

Unsere Rundreise - Teil 1

Schließlich habe ich Kapstadt doch noch hinter mir gelassen und bin mit meinen zwei Begleitern nach Durban, auf der anderen Seite des Landes geflogen.
Dort haben wir uns ein Auto gemietet, das wir alsbald "King Shaka" tauften und sind los gefahren. King Shaka war ein viel geliebter und gefürchteter König des Zulu-Volkes. Er war ein Muttersöhnchen und verdammt blutrünstig, kurz: durch und durch sympathisch. Offenbar war er auch ein guter Stratege, so erfand King Shaka die Taktik des "in den Rücken fallens", die noch heute gerne und weit verbreitet Anwendung findet.
Unser "King Shaka", also unser Citi-Golf, verfügte dagegen über eine Klimaanlage, ein Radio, keine Servolenkung und eine Lackierung in "milch-weiß", die später dann in "Kakao-braun" changierte.














Durban ist bereits ein krasser Gegensatz zum europäisch wirkenden Kapstadt. Die sehr rote Erde, die man aus den Tropen kennt macht den ersten Unterschied. Die Innenstadt sieht verfallener und chaotischer aus und die Menschen quellen zahlreich und lautstark durch die Straßen und entlang der Verkaufsbuden. Auch der Verkehr ist chaotisch und für ungewohnte Europäer zunächst etwas verängstigend. Entspannter war da schon die Fahrt entlang der Küste in Richtung Norden. Neben der Vegetation gibt es noch ein paar andere Unterschiede zu einer Landpartie in Europa. Da wäre zum Beispiel der Fußgänger-Verkehr. Entlang der Straßen sind stets unzählige Menschen zu Fuß unterwegs. Sehr afrikanisch: Viele balancieren ihr Gepäck dabei auf dem Kopf. Im Straßenverkehr muss man außerdem oft auf Kühe achten, die mit dem Linksverkehr ebenso viele Probleme zu haben scheinen wie ich selbst.














An einem Straßenstand unterwegs haben wir dann noch einen Sack Orangen erstanden, der uns im Laufe der Reise noch länger Gesellschaft leisten sollte und und sich als beliebtes Geschenk für kleine Kinder erwies.
Am Abend erreichten wir Eshowe, die erste Station unserer Tour im Zulu-Land. In der Umgebung der Stadt gibt es gleich mehrere Grabstätten des immergleichen Zulu-Königs und auch die Anzahl der historischen Schlachtfelder ist beeindruckend. Die Herberge die wir aus unserem Reiseführer heraussuchten ist ein ehemaliges Kompanie-Bordell, der ehemals hier stationierten britischen Armee. Die Zimmer sind jedoch geräumig und ordentlich eingerichtet. Die gemütliche, schwarze Verwalterin des Etablissements strahlt jedoch mütterliche Fürsorge aus und hilft uns mit ihren eigenen Kochtöpfen aus, als wir auf die Idee kommen uns selbst zu versorgen.














Tag 2 unserer Tour beginnt mit den örtlichen Attraktionen des beschaulichen Eshowe. So gibt es einen "Boardwalk", auf dem man holzbeplankt durch den örtlichen Urwald spazieren kann. Tatsächlich sehen wir unsere ersten "wilden" Tiere - hauptsächlich Vögel, Insekten, Würmer, Spinnen und eine Art Rehkitz (oder Antilopen-Kitz?), das schüchtern durch den Wald humpelt. Uns fällt auch hier auf, dass alle Menschen die wir auf unserer Reise treffen überaus freundlich und offen sind. Mit einer älteren Omi sprechen wir über unsere Reise und auch viele andere scheinen sich dafür zu interessieren, woher wir kommen und wohin wir wollen.
Nach einem Abstecher zum ehemals britischen Fort von Eshowe fahren wir weiter nach Norden. Durch eine hügelige Landschaft mit viel Subsistenz-Landwirtschaft und kleinen Familienbetrieben. Viele der strohbedeckten Hütten auf den Farmen haben die Runde Form, die für das Zulu-Land charakteristisch ist.
Bald wird die Landschaft deutlich trockener, der Übergang in die Savanne kündigt sich an. Und auf einer Tafel wird Shaka-Land angekündigt. Wir haben den alten Zulu-König noch immer nicht los: Hier gibt es eine Art Vergnügungspark zu seinen Ehren. Eigentlich handelt es sich um ein altes Filmset in schöner Lage. Das Dorf ist gebaut wie ein traditionelles Zulu-Dorf und wird heute von einer südafrikanischen Hotelkette betrieben. Wir besuchen die traditionelle Tanzvorführung und bekommen die verschiedenen Tanzstile der Zulu-Krieger und Xhosa-Krieger demonstriert. Anschließend bringt uns King Shaka weiter nach Norden. Wir machen uns auf die Suche nach den Big Five.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Abfahrt!

Mein Job ist zuende - mein Besuch ist da.. Morgen geht es in den Flieger nach Durban. Von dort aus soll es dann mit dem Auto weiter gehen in Richtung Norden, durch Kwa Zulu Natal nach Swasiland, weiter in den Krüger Nationalpark und schließlich nach Johannesburg, von wo aus wir wieder nach Kapstadt zurückkehren werden.

So lange muss ich aber leider ohne Internet und ihr leider ohne regelmäßigen Report auskommen. Wird dann aber alles nachgeholt.

Bis dahin, schöne Grüße!

Simon.

Montag, 6. Oktober 2008

Gutes Geld für schlechte Geschäfte

Ich hatte schon mal erwähnt, dass mein Vermieter ein geschäftstüchtiger Mensch ist.
In der letzten Woche hat sich das Geschäftsfeld "Wellness" eröffnet und lockt mit kräftigen Rendite-Chancen.
Es handelt sich um das Produkt "Biodisc" und sieht aus wie eine Glasscheibe mit einem Muster darauf, bewirkt aber außergewöhnliches zu einem sehr verlockenden Preis.
Das Geheimnis dieser Biodisc enthüllt ein bebrillter, indisch aussehender Malaye aus Hongkong - gerade auf Verkaufsreise durch die ganze dritte Welt. Claude, mein Vermieter, hat die Veranstaltung in Kapstadt organisiert, den Konferenzraum gemietet und den Mann aus Hongkong empfangen.














Der Mann hält einen Vortrag, ich sitze als einziges Bleichgesicht in der letzten Reihe. Es ist die Rede von lebendigem Wasser - aus Bergflüssen etwa - und totem Wasser, das wir aus dem Wasserhahn trinken. Nur lebendiges Wasser lohnt es zu trinken, denn es ist gesund und hat sogar heilende Wirkung. All das ist natürlich (halb-) wissenschaftlich zu belegen. Ein Fisch etwa, den man in einem Glas von "totem" Leitungswasser schwimmen lässt, wird nach wenigen Stunden sterben. Und genau hier setzt die Biodisc-Technologie an: Sie transformiert totes Wasser - indem man es über die Disc laufen lässt - in lebendiges Wasser. "Den Unterschied merken Sie sofort, wenn Sie es probieren!"

Der Vortrag ist gerissen gemacht. In der Einleitung philosophiert der Mann aus Hongkong, wie Afrika schon viele Male zuvor wichtige technologische Entwicklungen verschlafen habe. Von seiner eigenen Erfolgsstory als Geschäftsmann leitet er über zur großartigen Technologie, die er hier anbietet: "Vom deutschen Unternehmen Schott, das sonst in seinen hoch gesicherten Fabriken Spezial-Materialien für die NASA entwickelt."
Ich, als Mainzer und direkter Nachbar des Glas-Herstellers Schott, muss bei dem Punkt natürlich grinsen. Der Verkäufer weiß, dass er einen Skeptiker unter den Zuhörern hat.
Die anderen Herren in der Runde aber lassen sich gerne überzeugen. Der Markt für Glaubensfragen und Wunderdinge ist in diesem Land und bei diesen Leuten offenbar ein lukrativer.
Auch was die Rendite angeht: Bei geschätzten Herstellungskosten im einstelligen Dollar-Bereich ist ein Verkaufspreis von 500 bis 600 Dollar auf jeden Fall eine lohnende Kalkulation.














Claude jedenfalls hat als Investment schon eine ganze Familienpackung Biodiscs abgenommen und hofft nun auf einen guten Wiederverkaufs-Preis. Ein paar ist er sogar schon los geworden - die Sache scheint für ihn also tatsächlich aufzugehen. Als der Hong-Kong-Malayische Verkäufer eines Abends bei uns zu Hause zu Besuch ist mache ich noch ein Foto. Wie im Spaß sagt er dazu: "Aber nicht an das deutsche FBI weitergeben!" Nächste Woche fliegt er weiter nach Sao Paulo - wenn ihm das deutsche FBI nicht zuvor kommt, soll sein Job seinen Kindern das Studium finanzieren.

Fotos: "Aber nicht dem deutschen FBI geben" Weiß da jemand, welchen Schabernack er mit den Leuten treibt?

Dienstag, 30. September 2008

Die Besteigung des Tafelbergs (und anderes)

Ich habe eingesehen, ein Artikel über die verschiedenen Landkarten, die bei uns hergestellt werden ist vielleicht nicht der große Renner. Zurück zur blutigen Realität!
Am letzten Wochenende habe ich endlich den Tafelberg bestiegen. Zuvor war ich auf dieser Expedition immer wieder an schlechtem Wetter oder skeptischen Mitkletterern gescheitert. Schließlich aber lief alles glatt. Die Wanderung war wunderschön. Vom botanischen Garten in Kirstenbosch ging es in eine enge Schlucht und entlang eines Wasserfalls steile Wände hoch. Insgesamt etwa 1300 Meter mussten überwunden werden, bis wir schließlich auf dem Hochplateau angelangt waren. Dort ging es dann noch durch eine steinige Busch-Landschaft eine ganze Weile weiter bis wir schließlich an der Bergstation des "Cableways" angekommen sind.
Der Ausblick war natürlich fantastisch. Nicht zu vergleichen mit einem der anderen Hügel um Kapstadt oder dem Blick von einem Turm. 1300 Meter sind da schon eher der Blick aus einem Flugzeug mit großen Fenstern.

In der Woche war dann noch eine andere Kapstadter Sehenswürdigkeit angesagt: Die große Shopping-Mall von Century City. Ein größeres Einkaufszentrum habe ich noch nie gesehen. Während die Waterfront von Kapstadt noch vergleichsweise zurückhaltend gestaltet ist und sich irgendwie in die alte Hafenkulisse einpasst, so ist dieses Monster schon eher mit den großen Casinos von Las Vegas zu vergleichen. Riesige, im italienischen Stil gehaltene Bogengänge auf mehreren Ebenen vereinen hunderte Geschäfte, Restaurants und Kinos unter einem gigantischen Dach.

In diesen Shoppingmalls findet das städtische Leben Südafrikas statt. Die Innenstädte sind vergleichsweise tot. Hier hat niemand Angst beklaut zu werden, hier gibt es keine dunklen Ecken. Hier gibt es nur einen Flagshipstore am nächsten, Mode aus Europa und auffällig viele Skater- und Surferklamotten-Geschäfte. Die Glitzerwelt von Century City ist wirklich angenehm - eine Runde Geschäfte gucken, eine leckere Pizza, anschließend der neue Abba-Film im Kino - doch auf der anderen Seite liegt hierin der Grund dafür, warum es selbst in einer so großen Stadt wie Kapstadt kaum mehr als eine belebte Einkaufs- und Ausgehmeile gibt. Der von kleinen gemütlichen Altstädten verwöhnte Europäer tut sich da doch eher schwer.














Am Mittwoch hatte ich ein geschäftliches Meeting in einer Webseiten-Agentur. Die Firma betreut den Internetauftritt unserer Firma. Ich hatte eigentlich nur vor, ein paar Updates darauf einstellen zu lassen und fuhr dazu in den hippen Vorort Observatory. Dort fand ich mich sehr bald in einem ungemein spritzig jungen Start-up wieder, in dem sehr kreative Menschen (fast alles Frauen) an riesigen Schreibtischen mit großen Bildschirmen saßen. Ich bekam sogleich etwas zu trinken und schon stürzten sich gleich 4 Kolleginnen auf mein Problem und hatten mein kleines Anliegen in 10 Minuten zu einem riesigen Projekt aufgeblasen. Als ich nur wenige Minuten später leicht benommen zur Tür wankte, war gerade beschlossen worden die gesamte Webseite vollkommen umzubauen und uns dafür eine (wahrscheinlich schweineteure) Kostenabschätzung (Quote) zukommen zu lassen. Zur eigentlichen Arbeit (ich hatte damit gerechnet dabei zuzusehen wie meine Bildchen, Texte und Landkarten zu einer Internetseite zusammenwachsen) war es noch gar nicht gekommen denn "nun müssen wir zunächst mal über das finanzielle mit deinen Chefs sprechen". Ein ganz klein bisschen hatte ich ein schlechtes Gewissen auf der Heimfahrt.

Freitag, 26. September 2008

Landkarten

In meinem Praktikum fahre ich nicht nur den lieben langen Tag im Township herum und treffe viele Leute. Manchmal geht es auch um wissenschaftliches Arbeiten und statistische Erhebungen. In den Vierteln von Khayelitsha, die wir bearbeiten, werden zunächst einmal Befragungen durchgeführt um etwa Informationen über vorhandene Infrastruktur, Wirtschaft oder Kriminialitätsprobleme zu erhalten.
Diese Informationen werden dann oft in Landkarten verarbeitet. Einige Beispiele habe ich hier aufgeführt:













Diese Karte zeigt die formale Funktionsunterteilung von "Site C" - einem der vielen Viertel in Khayelitsha. Obwohl hier klar abgegrenzte Grundstücksgrenzen eingezeichnet sind sieht die Realität viel komplizierter aus: Auf den meisten Grundstücken stehen mehrere Shacks und wohnen mehr als eine einzelne Familie. Dieses Gebiet wird erst seit neuestem von VPUU "betreut", es werden Projekte gestartet und Pläne für bauliche Veränderungen erstellt.
Die zweite Karte zeigt die wahrgenommene Kriminalität in dem Teil von Khayelitsha, in dem ich meist unterwegs bin: Je roter die Linie, desto gefährdeter fühlen sich die Bewohner wenn sie dort unterwegs sind. Auf vielen Straßen in Khayelitsha kommt es vor allem in den Abend und Nachtstunden zu überfällen, oft auch mit Waffengewalt. Außerdem sind Vergewaltigungen ein enormes Problem.











Die letzte Karte zeigt ein Projekt, bei dem ich unmittelbar beteiligt bin: Die roten Punkte markieren Standorte im Viertel, an denen wir wöchentlich Fotos schießen um Veränderungen festzustellen. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht, daran zu arbeiten die riesige Datenflut aus zwei Jahren zu organisieren, zu verwerten und die Qualität der Fotos zu verbessern. Außerdem habe ich an wichtigen Punkten im Viertel weitere Standorte hinzugefügt und bin mit den Fotographen die Strecke mehrmals abgelaufen.













Die nächste Woche ist fast schon die letzte auf der Arbeit. Deshalb habe ich mir eine Karte mit verschiedenen Informationen zusammengestellt und auf A1 ausgedruckt. Ein schönes Andenken für meine neue Bude in Mainz.

Dienstag, 23. September 2008

Regierungskrise und Beauty Fair

Bei der gegewärtigen Regierungskrise in Südafrika stehe ich ganz klar auf der Seite der Verlierer. Meine gerade frisch erworbenen Beziehungen an die Spitze sind wertlos geworden: Meine gute Bekannte, Justizministerin Mabandla hat inzwischen - genau wie die meisten anderen Kabinettsmitglieder auch - ihren Rücktritt erklärt.














Vorausgegangen ist dem ganzen der unerbittliche Machtkampf zweier ANC-Lager. Auf der einen Seite steht Mbeki, gerade abgesägter Präsident des Landes und auf der anderen Seite Zuma, gerade freigesprochener Krimineller (so zumindest die Lesart der Mehrheit meiner Kollegen). Was nun bis zu den Wahlen im nächsten Jahr geschehen soll ist noch nicht ganz klar. Ein Übergangspräsident wird bestimmt und der ANC wird versuchen seine Anhänger wieder zu vereinen. Doch Skepsis macht sich breit: Wird es in den nächsten Wochen ruhig bleiben? Mein Kollege Roman aus Khayelitsha zitierte heute einen Zeitzeugen des südafrikanischen Krieges von 1795 (Franzosen gegen Holländer gegen Engländer oder so ähnlich): Der Krieg der Könige ist vorbei, der Krieg des Volkes beginnt.

Zuallererst gönnt sich das Volk Morgen aber mal einen Feiertag - es ist Heritage Day.

Diese Woche war ich außerdem wieder in Khayelitsha. Dort habe ich im Rahmen meiner Arbeit zu den Case Studies auch viel mit Organisationen zu tun, die von sehr jungen Leuten gegründet werden. Meistens handelt es sich um Musikgruppen, Bands, die sich aber auch in ihrer Community engagieren. Es ist beeindruckend was viele von ihnen auf die Beine stellen. "Young Rhymes" ist eine dieser Gruppen, neben ihrer eigenen Musik machen sie viel mit Schulkindern, auch abseits ihres angestammten Metiers: Ein Mitglied der Gruppe habe ich dabei begleitet, wie er Schulkindern Schach-Unterricht gibt.














Eine andere Gruppe ist Kuphuka. Der "Leader" - Dali - hat schon eine eigene CD herausgebracht und etwa 5000 Kopien in seiner Gegend verkauft. Oft an die kleinen Minibusse, mit denen ich auch zur Arbeit fahre. Für ihre dicken Anlagen können sie die Musik aus den Townships gut gebrauchen. Nun ist die Gruppe dabei, mit kleinen Kindergartenkindern eine "Spring Beauty Fair" aufzuziehen. Die kleinen üben fleißig "Macarena" und sollen auch eine echte Modenschau vorführen. Den richtigen Laufstil lernen sie ebenfalls bei Kuphuka.

Foto: Das soll am Wochenende "Macarena" sein. Mit ein bisschen mehr Übung soll die Aufführung am Wochenende perfekt gelingen.

Sonntag, 21. September 2008

Landpartie mit Löwe

Dieses Wochenende habe ich mit der Kollegin Luisa einen Ausflug ins Hinterland unternommen. Auf dem Weg haben wir viele sehr nette und hilfreiche Menschen kennen gelernt.














Das lag daran, dass unser Auto - wenn es einmal ausgeschaltet war - oft keine Lust mehr hatte anzuspringen. Aber mit etwas fachmännischer Hilfe - oder wo die nicht vorhanden war Muskelkraft - konnten wir es doch immer wieder anwerfen.














Die erste Station der kurzen Reise war Ceres, ein zu dieser Jahreszeit noch verschlafenes Nest in einem rundum abgeschlossenen Tal, das für seine Fruchtsäfte berühmt ist. Dort scheiterten wir bei dem Versuch einen Berg zu besteigen. Das Unternehmen war umfangreicher als es sich zunächst gab. Auf rund 2 Dritteln des (nicht vorhandenen) Weges zum Gipfel mussten wir umdrehen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück im Städtchen einzutreffen.














Der nächste Tag führte uns weiter nach Osten ins Hinterland. Die Teerstraße wurde zur Schotterpiste. Die Schotterpiste wurde zur schlechten Schotterpiste. Doch schließlich erreichten wir Inverdoorn, eine Lodge von wo aus Safaris ins nahe Game Reserve angeboten werden. Und so kamen wir schließlich zu unseren ersten Fotos von Zebra, Rhino, Giraffe, Gepard und Löwe. Und das ist es doch was man will, wenn man nach Afrika fährt.

Fotos: (oben:) Unser Auto hatte des öfteren keine Lust mehr. Aber sowohl der Tankwart als auch die Erntehelfer, als auch der andere Tankwart waren sehr hilfsbereit, als es darum ging die alte Karre wieder auf die Beine zu bringen. (mitte:) Blick auf das sehr nette Städtchen Ceres. (unten:) Ein Member der Big Five: Die Giraffe. Hier ein männliches Exemplar.

Mittwoch, 17. September 2008

Nigerianische Filmklassiker

Viel Arbeit diese Woche, langsam kommen Gedanken auf, ob ich mein Pensum bis Ende des Praktikums schaffe. Noch habe ich drei Wochen, danach beginnt die große Safari.














Am letzten Wochenende war ich mit der Kollegin Luisa in Hermanus, Wale gucken. Die Wale waren auch da, aber wohl aufgrund des windigen und wechselhaften Wetters sprangen sie nicht etwa wie Free Willy übers Meer, sondern bequemten sich lediglich sehr gelassen an uns vorbei zu schwimmen. Während wir so auf dem Felsen ausharrten und nach den Walen spähten, unterhielten uns kleine, runde, pelzige Tierchen - unserer Einschätzung nach Lemminge, die nur darauf warteten sich selbstmörderisch von selbem Felsen zu stürzen. Meine erste Schlange habe ich auch endlich in freier Wildbahn gesehen - gerade überrollt von einem kleinen Kind auf einem Skateboard, das darüber auch sehr traurig war. Die Schlange lebte noch - aber wohl nicht mehr sehr lange.

Zurück in Kapstadt habe ich heute mal den Chefsessel in der Firma eingenommen. Ein Tag an der Spitze des Unternehmens sozusagen, allerdings aus dem einfachen Grund, dass an meinem eigentlichen Arbeitsplatz heute Vorstellungsgespräche stattgefunden haben. Die Lebensläufe von 95 Bewerbern hatte ich in der Woche zuvor in Excel-Tabellen eingegeben und mich so manches Mal über lustige Fehler im Wort "Curriculum Vitae" amüsiert. In der Tat waren aber auch erschreckend viele extrem qualifizierte Bewerber darunter - eine Tatsache, die der enormen Arbeitslosigkeit, speziell unter Schwarzen in Südafrika geschuldet ist.

Zuhause habe ich inzwischen nicht mehr jede Nacht die Heizung laufen. Doch die Wetterbesserungen sind noch sehr vage. Claude und ich haben uns angewöhnt Filmabende zu veranstalten - thematisch versuche ich mich natürlich an das Thema Afrika heranzutasten. Nach "Blood Diamond", der "letzte König von Schottland" (der tätsächlich in Uganda residierte) und "Lord of War" mussten wir gestern Abend Zugeständnisse an Maggie machen und etwas mit mehr Herzschmerz aussuchen. Dafür besonders gut geeignet: Nigerianische Klassiker wie "the Female Lion" (1 und 2), "End of Pride"(1 und 2) oder "Now and Forever" (1 und 2).














Die Filme sind mit einfacher Handkamera gedreht und auf V-CDs gebrannt, die afrikaweit auf die Märkte wandern. Gesprochen wird "Broken English", was vor allem für romantische oder dramatische Szenen einen besonderen Reiz hat. Die Handlung von "Now and Forever" (1 und 2) in Kürze:

Der reiche Hauptdarsteller hat als Kind seinem sterbenden Vater versprochen, seine Mutter stets glücklich zu machen und alles sieht aus, als würde ihm das gelingen, als er 25 Jahre später seine Verlobte vorstellt. Kurz vor der Hochzeit muss sich der Hauptdarsteller (HD) aber wieder einmal mit dem unzuverlässigen Hauspersonal streiten, das schlecht mit seiner Mutter umgeht. Der garstige Hausdiener wird - nachdem er gefeuert ist - noch boshafter und ersticht die Verlobte, die nach langem Überlebenskampf auch endlich in den Händen des HD verstirbt.
Die Trauer ist groß, doch Mutti wird bald 58 und will an diesem Tage endlich eine neue Verlobte in den Armen ihres Sohnes sehen. Der sieht sich dazu nicht im Stande, will seine Mutter aber auch nicht enttäuschen und engagiert eine Nacht-Club-Bekanntschaft, um seiner Mutter etwas vorzuspielen. Nach 3 Wochen gemeinsam im Haus der Mutter merkt der HD, dass er sich in jene Frau aus dem Nachtclub verliebt hat. Das gleiche gilt für sie - sie wollen zusammen bleiben. Dummerweise hatten sie der überglücklichen Mama erzählt, sie käme aus London und sei sehr vermögend. Dieses Problem wird in einem dramatischen Geständnis gelöst. Freunde des HD erklären aber, die Frau aus dem Nachtclub sei eine Nutte und habe schon mit jedem von ihnen geschlafen. Der HD wird wütend (auf seine neue Freundin) und nachdem er sie verärgert verlassen hat fährt er eine Weile ratlos mit seiner Stretchlimousine durch das beschauliche Lagos. Schließlich kommt heraus, dass die Dame ganz züchtig war und seine Freunde dummes Zeug geredet haben. Am Ende sitzt seine neue Angebetete am Steuer seiner langen Limousine (sie hat den Rock mit dem eigentlichen Chauffeur getauscht) und überrascht ihren überglücklichen neuen Ehemann. Sie leben glücklich und zufrieden bis an ihr Ende...

Bilder: Leider keine Wal-Fotos - nicht weil wir keine gemacht hätten, nur leider sind sie bei einem Computerabsturz verloren gegangen. Dafür Fußball aus Kahyelitsha - dort habe ich ein Turnier gefilmt am Wochenende. Das untere Bild zeigt einige Filme die diese Woche direkt aus Nigeria per Post eingetroffen sind.

Freitag, 12. September 2008

Township troubles

Gestern Nachmittag war ich noch recht spät auf einem Termin im Township. Ich besuchte ein Haus zur Betreuung von Schulkindern an Nachmittagen. Das soll verhindern, dass die Jugendlichen auf den Straßen herum laufen und mit Kriminalität und Drogen in Berührung kommen.














Als ich fertig war holte mich wie gewöhnlich mein Kollege Theo, seines Zeichens "Community Facilitator", ab. Bevor wir aber zurück in die "Basis" fuhren, wollte er noch eine Runde durch die Gegend drehen. Gerüchteweise rotteten sich wieder einmal Gruppen zusammen, um bei den Ausländern für Unruhe zu sorgen. Tatsächlich trafen wir auf ein paar solcher Gruppen, doch bei einem kurzen Gespräch gaben sich alle ganz friedfertig und harmonisch.

Kurze Zeit später allerdings befanden wir uns mit Vollgas hinter einer ausrückenden Einheit der Polizei. Das Ziel der Reise war ein Shop eines Somali der gerade in Schwierigkeiten geraten war - der Spuk war vorrüber so schnell er begonnen hatte, dutzende Polizisten stürmten in den Laden und verhinderten Schlimmeres. Heute Morgen dann gab es ein Meeting zu unter anderem diesem Thema.

In dem Treffen fassten verschiedene Kollegen die Hintergründe zusammen. Bei einem weiteren Vorfall gestern ist demnach größerer Schaden entstanden - rein materiell, indem der somalische Ladenbesitzer um einen Gutteil seines Inventars gebracht wurde. Vorausgegangen war der Aktion eine Briefaktion der südafrikanischen Organisation der Shop-Besitzer, in dem sie die somalischen Shop-Besitzer aufforderten bis 24. September ihre Geschäfte zu schließen. Dieser Brief wurde nachträglich zurück genommen. Alles hat offenbar einen hochpolitischen Hintergrund, im Zusammenhang mit den kommenden Wahlen in Südafrika sind gewisse politische Kräfte daran interessiert, Unruhen zu stiften.

Dabei bedienen sie sich der in Khayelitsha ohnehin zahlreich vorhandenen Jugendbanden und stacheln sie auf, gegen die Ausländer zu Felde zu ziehen. Pikant wurde die Geschichte außerdem dadurch, dass am gleichen Tag eine Gruppe Somalis festgenommen wurde, die begonnen hatte sich zu bewaffnen - unter anderem mit Waffen, die der Polizei gestohlen worden waren.

Die ganze Entwicklung ist also wieder mächtig dazu geeignet die Angst vor den Townships zu schüren. Doch für unbeteiligte Außenstehende ist diese Angst unbegründet. Ich kann mich - in Begleitung - immer frei bewegen in Khayelitsha ohne überhaupt behelligt zu werden. Auf dem gleichen Treffen heute Morgen sprach ich mit einer Kollegin, die vor Jahren eine Studie zur Überwindung der Apartheid in Khayelitsha durchgeführt hat. Auch sie, eine ältere weiße Dame, hat sich nie unwohl gefühlt auf ihren Wegen durchs Township. Tatsache ist aber, dass die Wahrnehmung der weißen Bevölkerung Südafrikas vollkommen anders ist:














Diese befinden sich in einer Situation eines absehbaren schleichenden Bedeutungsverlust - allein zahlenmäßig sind sie nur noch eine von vielen Minderheiten im Lande. Und auf lange Frist wird sich das auch auf ihren Einfluss auswirken. Gleichzeitig befinden sich viele wohlhabende Weiße schon heute in einer Art dauerndem Belagerungszustand, indem sie hinter hohen Mauern und teurer Sicherheitstechnik leben. Kein Wunder, dass sie Angst haben, diese riesige neue Übermacht in ihrem Land näher kennen zu lernen. Und so fahren die wenigsten weißen Südafrikaner jemals in die Townships hinein - und so bilden sich viele Mythen über die Gefahren die dort auf sie lauern.

Die Aussage der Bewohner Khayelitshas zur Überwindung der Apartheid lautete übrigens: Wenn die Weißen in unseren Vierteln unsere Waren kaufen, in unseren Betten schlafen und in unseren Restaurants essen - dann ist die Apartheid überwunden.

Derweil bereitet sich VPUU nach der heutigen Sitzung darauf vor, dass die gerade abgeschlossene Wieder-Aufbau-Arbeit für die letzten Übergriffe im Juni bald wieder von vorne anfangen kann.

Bilder (oben): Eintreffen am Einsatzort. Eine Kolonne Polizeiwagen eilt zu einem in Not geratenen somalischen Shopbesitzer. (unten:) Afrikanische Tänze halten diese Kinder von der Straße fern.

Montag, 8. September 2008

Von Predigern und Heilern

Ein afrikanischer Gottesdienst - so hatte es mir Luisa, eine andere Praktikantin hier in Kapstadt erzählt - sei eine sehr beeindruckende Sache. Auf eine Einladung hin hatte sie selbst an einem teilgenommen. Der hatte vier Stunden gedauert und für sie selbst eine Einführung in den Kreis der Gläubigen beinhaltet - mit Beschwörungen und Austreibungen und was man sich nicht alles vorstellt.














Von diesem Gedanken fasziniert, erkundigte ich mich bei Claude, meinem Vermieter, wo er denn zur Kirche gehe und ob ich nicht mal mitkommen könne. Klare Sache - gar kein Problem.
Die "Life Church" ist gerade die Straße hinunter - und wieder vollkommen anders, als ich mir das vorgestellt hätte. Zunächst einmal habe ich das Gefühl ins Kino zu gehen, denn das Gebäude sieht nun überhaupt nicht nach Kirche aus. Schließlich finde ich mich in einer super-modernen, ebenfalls sehr temperamentvollen, aber weniger afrikanischen Messe wieder. Während eine christliche Rockband und eine christliche Hip-Hop-Dance-Gruppe auf der großen Bühne ordentlich Leben in die Bude bringen, beginnen die Zuschauer in ihren Kinosesseln trance-artig ihre Arme zu heben und immer wieder laut "Amen!" zu rufen.

Auf die Bühne tritt dann der Prediger und sprüht vor guter Laune. Gleich wie ein Entertainer springt er von der einen Seite zur anderen, um uns allen einzuprägen, dass wir Zeugnis ablegen sollen vor unseren Mitmenschen. Wir sollen mehr und mehr Leute überzeugen, dieser Kirche beizutreten. Alle neuen Kirchenbesucher ruft er zu sich auf die Bühne (ich bleibe stoisch sitzen), nur um sie dann an seine Assistentin weiter zu leiten, die sich schnell noch die Kontaktdaten geben lässt.














Ich muss etwas schlucken als ein weiterer - offensichtlich international aktiver Prediger, die Bühne betritt und berichtet, wie in den nächsten 12 Monaten 900 Schulen in der Kapregion besucht werden sollen, um vor sämtlichen Schülern das gleiche Zeugnis abzulegen und sie alle in dieser Kirche zu vereinen. Und so ist auch die einzige Botschaft des Tages: mehr Menschen in diese Kirche zu holen, locken, treiben - aber jegliches Unbehagen diesbezüglich geht schließlich in den Klängen der Rockband, die zum Abschluss noch einmal aufspielt, unter. Bei den meisten zumindest.

Anschließend geht es nach Langla - zum Braai. Langla ist ein Township bei Kapstadt, das durch seine immens hohe Mordrate hervorsticht - andererseits aber auch eine ungemeine Anziehungskraft ausübt: Denn hier soll es den besten Braai der ganzen Kap-Region geben. Und so ist eine Menge Gedränge vor dem Laden, in dem man sich erst sein Fleisch aussucht um es dann an Ort und Stelle in Soße tunken und schließlich grillen zu lassen. Im Innern des Geschäfts geht es zu wie bei der Börse, doch mit Claude und Maggie im Schlepptau kann ich mich als einziges Bleichgesicht sogar trauen einige Fotos zu schießen.














Während wir auf unser Braai warten machen wir noch eine kurze Runde über die Geschäfte und Stände am Ort und landen schließlich am wohl unheimlichsten Ort, den ich bisher hier gesehen habe: In der "Praxis" eines Naturheilers.
In fast vollkommener Dunkelheit streift man durch einen niedrigen Raum an dem überall Schlangenhäute und Tierfüße von der Decke baumeln - allerlei Amulette und Skelette. In den Regalen stehen hunderte und tausende kleiner Fläschchen mit zerstampftem Allerlei und merkwürdigen Gebräuen. Hinter einem Gitter scheint eine schwache Kerze und dort sitzt auch der Heiler. Er gibt leise Ratschläge an einen Mann, der davor kniet und gerade irgendein Malheur am Hals haben muss. Da hier alle Xhosa sprechen verstehe ich leider nicht worum es geht. Dafür finde ich den Assistenten des Heilers und verhandle mit ihm über die Möglichkeit Fotos zu schießen - mit Unterstützung durch Claude sogar mit Erfolg.

Fotos (oben:) Er empfängt schon den heiligen Geist während die anderen noch profan gucken. (mitte:) Hier wird Braai gemacht. (unten:) "Praxis" des Naturheilers. Im Chaos lebt das (Naturheiler-) Genie.

Mittwoch, 3. September 2008

Zu Fuß durchs Township

Diese Woche war ich viel in Khayelitsha unterwegs. Inzwischen kann ich mich in dem Township auch einigermaßen orientieren, sodass ich gelegentlich mit meinem eigenen Wagen zu Terminen fahre und nicht mehr auf Mitfahrgelegenheiten von Kollegen angewiesen bin.

Meistens geht es zuerst zu "stocks n' stocks", sozusagen dem Basislager von VPUU in dem Viertel. Der Komplex gehört der Stadt Kapstadt, beherbergt einige Verwaltungseinrichtungen und sieht aus wie ein Hochsicherheits-Gefängnis. Bei der Einfahrt passiert man gleich zwei Stahltore mit Wachpersonal und ein hoher Zaun mit Stacheldraht und Kamera-Überwachung schirmt das Gelände gegen das potenziell explosive Umfeld ab.














Von dort aus geht es dann in der Regel mit Begleitung durch einen der Community-Facilitators weiter zu den eigentlichen Terminen im Township. Diese Community Facilitators kommen aus dem Viertel und kennen sich gut aus - sie dienen als Bindeglieder zwischen der Verwaltung und unserem Projekt sowie der Bevölkerung. Meistens fahren sie mich zu meiner Verabredung und holen mich später nach telefonischer Benachrichtigung wieder ab.

Bei schönem Wetter, wie diese Woche, sieht Khayelitsha sehr versöhnlich aus und die vielen Menschen auf den Straßen grüßen freundlich bis neugierig. Am Montag war ich mit einem unserer Leute aus dem Viertel unterwegs um die wöchentliche Aufnahme der "Monument Photos" zu überprüfen. Diese Fotos werden jede Woche an einer Reihe von Standorten im Township aufgenommen um Veränderungen feststellen zu können.














Selbst während wir mit der Kamera herum hantierten, fühle ich mich niemals unwohl. Speziell die Kleinen sind ganz begeistert, wenn sie auch mal durchs Bild laufen dürfen und die Mädchen kommen sich schon wie halbe Berühmtheiten vor. Auf diese Weise habe ich mir inzwischen das halbe Township erlaufen.

Heute war ich wieder mal bei einem der Kindergärten. Die Gründerin wird am Wochenende ein Zertifikat für ihre gute Mitarbeit und Verlässlichkeit erhalten. Aber dafür muss sie einen Vortrag halten - ihre erste Powerpoint-Präsentation. Die Präsentation habe ich für sie erstellt und heute vorgeführt. Es war die erste solche Präsentation, die sie je gesehen hat. Anschließend haben wir ihren Vortrag geübt. Dafür habe ich die Köchin und zwei der Kindermädchen als Publikum in die eine Ecke des Zimmers gesetzt und dann einige Tipps zu Haltung und Vortragsstil gegeben. Die Proben liefen zunächst stockend, doch auf jeden Fall für alle Seiten sehr belustigend ab.














Danach ging es an eine der Schulen des Viertels. Dort bietet ein ehemaliger Mitschüler Schach-Unterricht an und hat von VPUU die nötigen Schachbretter finanziert bekommen. Noch sind die Schachzüge seiner Schützlinge nicht sehr durchdacht und ein Turnier kann leider noch nicht stattfinden - "weil sie noch nicht wissen, wie man jemanden Schach-Matt setzt" erklärt Luzuko, der junge Lehrmeister.

Mit einem der Community-Facilitator, Theo, laufe ich später noch über den Bahnhof von Khayelitsha, um etwas vom aktuellen Tratsch zu erfahren. Die Gegend ist ein Brennpunkt im Viertel und Theo schaut ernst. Es gehen Gerüchte um, dass es bald wieder zu Übergriffen auf ausländische Afrikaner kommen könnte. Der Geheimdienst wurde von den Community Facilitators schon informiert. Bei aller Beschaulichkeit: Die nächsten Wochen könnten wieder gefährlich werden, im Pulverfass Khayelitsha.

Bilder (oben): Eines der Monument-Fotos. Dieses ist die Gegend um den Bahnhof von Khayelitsha. Der inoffizielle Markt an dieser Stelle soll bald weg kommen. (mitte): Präsentation üben im Kreise der Kindergarten-Angestellten. (unten:) Young rhymes chess club beim trainieren.

Montag, 1. September 2008

Sturm am Ende der Welt















Es stürmt ordentlich am Kap der guten Hoffnung. Jetzt draußen auf einem der kleineren Schiffe zu sein ist vermutlich keine so gute Idee. An die Küste schwappen Wellen zwischen 5 und 7 Metern Höhe und überspülen auch so manche Küstenstraße. Nicht gerade beruhigend, wenn man selbst gerade mal einen Block entfernt vom Meer wohnt.














Gestern Abend war ich im reichen Vorort Camps-Bay, mit vielen Villen in maritimer Lage. Doch die Situation sah inzwischen eher wie in einem Katastrophengebiet aus: Die Straße entlang des Strandes war von waberndem Schaum bedeckt - vermutlich das beste aus Öl, Schmutz und alten Chemikalien. Weiter hinten tobte - und tobt - der Südatlantik.

Freitag, 29. August 2008

Großer Tag für zwei Frauen aus Khayelitsha

In der nächsten Woche soll es spannend werden für zwei Frauen aus Khayelitsha. Heute war ich in ihren Kindergrippen zu Besuch um sie über die empfangene Hilfe unserer Organisation zu befragen.














Die beiden Frauen, die ihre Kindergrippen selbst aufgebaut, schließlich offiziell registriert und dann mit Hilfe von VPUU auf sichere Standards aufgerüstet haben, werden für ihre zuverlässige Mitarbeit ein Zertifikat erhalten. Dies bescheinigt ihnen, ihre Verpflichtungen zum Erhalt der Geldmittel fristgemäß erfüllt zu haben und wird ihnen bei zukünftigen Geschäften hoffentlich behilflich sein.

In beiden Kindergrippen ging es um sehr grundlegende Arbeiten. So wurde in der einen Grippe ein Boden verlegt, die Kinder müssen nun nicht mehr auf der dreckigen Erde herumliegen und können sich auch nicht an zerbrochenen Fließen schneiden. Des weiteren ging es um die Errichtung eines Zaunes um die Kindergärten - zum einen um die Kinder davor zu bewahren vor ein Auto zu laufen - zum anderen aber auch um der ständig präsenten Gefahr des Kindesmissbrauchs vorzubeugen. Eine der Frauen erzählte mir auch von getrennt lebenden Vätern, die versuchten ihre Kinder aus dem Kindergarten zu rauben.

Projekte dieser Art und Größe unterstützt VPUU an vielen Orten in Khayelitsha, die Antragsteller müssen dafür jedoch eine Eigenleistung einbringen und sich durch einige Anträge kämpfen. Meine Aufgabe während des Praktikums besteht unter anderem darin, solche Kleinst-Projekte zu portraitieren um noch mehr Resonanz in der Bevölkerung innerhalb und außerhalb von Khayelitsha zu erzeugen. Für die beiden Frauen werde ich nun bis nächste Woche eine Powerpoint-Präsentation erstellen, die diese dann bei der Vergabe der Bescheinigungen selbst vortragen sollen - keine Selbstverständlichkeit und Grund großer Aufregung für die beiden.














Heute wurde ich aber zunächst einmal beeindruckt, und zwar von den Englisch-Kenntnissen, die diese Kinder schon im Kindergarten lernen: In Form von Reimen, Liedern und Sprechchören begrüßten sie mich zunächst gestenreich, um mich dann im Chor nach meiner Befindlichkeit zu befragen und mich davor zu warnen, dass ich sie nicht anfassen darf, wenn sie es nicht wollen - ein Reim, den die Kinder lernen, um sie vor der hohen Kriminalität im Viertel zu wappnen.

Donnerstag, 28. August 2008

Service-Wüste Afrika?

Heute mal wieder eine sehr afrikanische Service-Situation erlebt. Die gleiche widerfährt einem auch öfters in Restaurants oder ganz normalen Geschäften.
Eigentlich wollte ich ja meinen platten Reifen an meinem Käfer wechseln. Nachdem ich den Wagen hochgebockt hatte und schon einigermaßen verdreckt war, musste ich feststellen, dass ich die Schrauben an den Reifen nicht lösen konnte. Was also tun? Zufälligerweise befindet sich gegenüber von da wo ich wohne eine Werkstatt, die auch gerade noch geöffnet war. Also ging ich hinein, präsentierte mich mit meinen öligen Händen und fragte die Jungs ob sie mir nicht einen kleinen Gefallen tun könnten.














"Man - i can't do that!"- ist die Antwort des Bosses an der Kasse. Ich kann keinen meiner Mechaniker entbehren - das kostet alles so viel Zeit und mein Business muss laufen. Ungerührt stehen zur gleichen Zeit mindestens 5 seiner Mechaniker nichtstuend nebendran und nicken zustimmend. "Ich bin sicher, deine Männer werden mit der Herausforderung in nur fünf Minuten fertig!" entgegne ich - doch nichts zu machen: "You know - five minutes is a lot in my business - i have to close in 15 minutes and soo much work!" Die fünf anderen Mechaniker nicken. Klar, dass ein paar kleine Scheinchen das Problem schließlich lösen können.

Während einer der Männer meinen Reifen wechselt kommt wieder eines dieser typischen Gespräche auf: "Du bist aus Deutschland? Ja - da kommt auch dein Beatle her. Tolles Auto übrigens. Sehr alt, ich weiß - Hitler hat das erfunden." - "Ähm nein, ich glaube nicht, dass Hitler das erfunden hat." - "Doch doch, Hitler! Der hat das erfunden und jeder konnte sich ein Auto leisten!" - " Ähem... Es wurde lediglich zur gleichen Zeit entwickelt. Der Entwickler war Ferdinand Porsche. Und nicht jeder konnte sich ein Auto leisten." - " Jaja, Hitler, Deutschland - da ist Sommer jetzt, oder?"

Hauptsache der Käfer hält ohne Panne durch, wenn ich damit Morgen zu meinen Terminen in Khayelitsha fahre.

Foto: Geplant war auf den Tafelberg zu steigen - doch angesichts unsicherer Wetterverhältnisse (wie auf dem Foto nicht zu erkennen ist) sind wir doch im botanischen Garten verblieben. Sehr empfehlenswert übrigens!

Donnerstag, 21. August 2008

Locals und Zugereiste

In Kapstadt wohne ich bei "Locals", wie es im Praktikanten-Slang genannt wird, was nicht ganz selbstverständlich ist, da viele meiner Praktikanten-Genossen in WGs zusammen wohnen. Noch etwas ungewöhnlicher ist, dass ich in einem schwarzen Haushalt wohne, denn nach wie vor ist die Trennung zwischen weiß und schwarz in Kapstadt und Südafrika nicht zu übersehen. Selbst meine Kollegin im Büro würde gerne mal meinen Vermieter Claude kennen lernen, da sie sonst nicht so viele schwarze Freunde hat in Kapstadt.















Claude ist noch ein ganz besonderer Spezialfall - er ist kein Südafrikaner, er kommt aus Burundi. Dort ist er mit 17 Jahren vor dem Krieg geflohen, zunächst nach Kenya, wo er seine Frau kennen lernte. Als Flüchtling ist er durch den Kongo, Tansania, Mosambik, Malawi, Sambia und Simbabwe gekommen bevor er 2005 in Kapstadt ankam. Heute ist er 32 Jahre alt, hat den Flüchtlingsstatus der UNO und ist sehr geschäftstüchtig.

Bei jeder Gelegenheit nutzt er neue Freundschaften und Bekanntschaften aus, um Geschäftskontakte zu knüpfen und Netzwerke herzustellen. Inzwischen ist er Teilhaber an einem kleinen Internet- und Telefonladen um die Ecke und kann sich eine geräumige Wohnung in Sea-Point, einer ursprünglich weißen Gegend von Kapstadt leisten.

Er ist extrem gesellig und das ist sein Erfolgsrezept. Als wir am Wochenende mit ihm ausgegangen sind, kannte er an allen Ecken Leute, allermeistens Schwarze, ebenfalls Ausländer. Er ist kein großer Fan von Südafrika, die Gewalt ist das größte Problem. Die weite Verbreitung von Waffen unter der schwarzen Bevölkerung - zum Beispiel in Khayelitsha - macht es für ihn unmöglich seine "schwarzen Brüder" in diesen Teilen der Stadt zu besuchen - als fremder Schwarzer lebt er mit dem Risiko, Opfer der sogenannten "Xenophobic attacs" zu werden, die die Stadt kürzlich heimsuchten und jederzeit wieder ausbrechen könnten. Während der Unruhen vor wenigen Monaten beherbergte er hier in Sea Point mehrere befreundete Familien aus den schwarzen Gegenden, die zuhause nicht sicher waren.

Viele Leute die ich hier kennen lerne haben Biographien, die zunächst sehr ungewöhnlich klingen. Sicherlich ist einer wie Claude nicht gerade die Regel, doch selbst unter meinen weißen Kollegen gibt es einige, die turbulente Zeiten hinter sich haben. Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Unstetigkeiten mussten sie immer wieder Existenzen aufgeben, kurzfristig in ein anderes Land ziehen und von vorne anfangen. Was den Nebeneffekt hat, dass hier viele Leute sehr viele Sprachen sprechen. Claude: Französisch, Englisch, Kirunda, Swahili und vielleicht noch mehr. Andreas, der Kollege mit dem ich häufig in Khayelitsha unterwegs bin spricht Zulu, Xhosa, Swahili, Deutsch, Englisch und Afrikaans. Eine Xhosa Lern-CD habe ich mir heute auch zugelegt - nächste Woche habe ich viele Termine in Khayelitsha, da heißt es vorbereitet sein, einen guten Eindruck machen.

Wenn ich weiße Südafrikaner außerhalb meiner Arbeit kennen lerne sind die meistens ziemlich erstaunt, dass ich nach Khayelitsha fahre. Viele von ihnen waren noch niemals dort auch wenn sie ganz in der Nähe aufgewachsen sind. Sie erzählen mir Geschichten von Initiationsriten für Gangmitglieder, bei denen als Prüfung weiße Autofahrer zu erschießen sind. Natürlich gibt es ein Gang-Problem in den Vierteln wo wir arbeiten (Nicht alle Eltern können zur Elternversammlung kommen, da es gegnerisches Gang-Gebiet ist und ihre Kinder gefährden könnte), aber trotzdem fühle ich mich nicht bedroht wenn ich in Begleitung in der Gegend unterwegs bin.














Die Leute die dort zu Hunderttausenden leben, haben auch einen ganz normalen Alltag und sind von den meisten Problemen des Viertels viel stärker betroffen als jeder Weiße, der mal vorbeikommt. Ich habe das Gefühl, dass die Angst vor der hohen Kriminalität die Rassentrennung in Kapstadt noch immer aufrecht erhält - und vielleicht dazu benutzt wird?

In Khayelitsha - habe ich mir sagen lassen - gibt es fünf Millionäre. Sie wollen aus den Townships aber nicht fortziehen, da diese Viertel ihre Heimat sind und sie reich gemacht haben. Tatsächlich sehen die Shacks und Government-Houses von innen oft gar nicht so übel aus - und vor manchen ärmlichen Hütten stehen tatsächlich neue Audis oder BMW.

Vor meinem Zimmer in Sea-Point steht ein klappriger VW-Käfer, bei dem ich jeden Tag das Öl kontrollieren muss und der bei kühlem oder nassen Wetter ohne ständiges Pumpen mit dem Gaspedal immer wieder ausgeht. Und das nasse, kühle Wetter kommt gerade wieder vom Meer über die Stadt gezogen. Hoffentlich wirds am Wochenende besser, dann stünde die Besteigung des Tafelbergs an.

Sonntag, 17. August 2008

Wochenende und Ministerialbesuch

Das Wochenende hat für viele Cape-Towner früher begonnen als sonst: Aufgrund von "Cable-Theft" viel der öffentliche Nahverkehr für Pendler in der Eisenbahn am Freitag weitgehend flach. Mein Kollege Melani saß mehrere Stunden im Zug fest, andere entschlossen sich zu tausenden entlang der Gleise in Richtung Endstation zu laufen - was schließlich auch den eigentlich nicht betroffenen Teil der Züge zum Stillstand brachte.















Das Wochenende habe ich mit einem Freund der zur Zeit in der Gegend wohnt verbracht. Samstag stand dabei zunächst das Rugby-Match Neuseeland gegen Südafrika auf dem Plan. Im Fireman's arms in der Innenstadt verfolgten wir das Match - umgeben von einer rein weißen Fangemeinde. In einem Land, in dem die weiße Bevölkerung rein zahlenmäßig eigentlich eine so unbedeutende Minderheit darstellt ist das schon ein komisches Gefühl - wie viele Jahre sind seit der Trennung der Hautfarben vergangen? Auch das südafrikanische Rugby-Team ist übrigens fast rein-weiß. Der einzige farbige Spieler bekommt aus dem Fireman's arms einen ganz besonderen Fanruf zugedacht.

Nachdem wir dieses England im Handtaschenformat wieder verlassen haben treffen wir uns mit meinem Vermieter, der gerne für etwas Spaß am Abend zu haben ist. Wir besuchen die Long Street, das Zentrum Kapstädter Nachtlebens. Nach einer Runde Pool im "Stones" gehts in einen Nachtclub, der den totalen Kontrast zum Fireman's arms darstellt: Im Chez Ntemba sind wir die einzigen zwei Weißen weit und breit. Interessiert und neugierig sind die anderen Gäste, aber bald sind wir auch nur zwei unter zweihundert anderen Gästen.

Extrem temperamentvoll geht es in dem Laden zu - mein Vermieter zeigt uns, wie man afrikanisch tanzt - vorwiegend mit allem unterhalb der Gürtellinie. Speziell die etwas kräftigere Damen sind sehr aufgedreht, wie einige Schnappschüsse von dem Abend noch beweisen.

Den nächsten Tag habe ich meinen Käfer ausgefahren, bei dem ich vor jeder Fahrt den Ölstand messen muss. Es ging entlang der Atlantikküste weiter nach Süden - also in Richtung Kap der guten Hoffnung. Unterwegs haben wir einige Aussichtspunkte angefahren und Wale gesehen - gerade ist Saison. Man munkelt sie kriegen hier ihren Nachwuchs - aber ich bin kein Experte.















Die neue Woche hat mit einer ziemlichen Überraschung angefangen: Ich habe die Justizministerin gesprochen! Das kam so: Irgendwer in der Firma hat offensichtlich übersehen, um was für eine Art Termin es sich bei einer Einweihungsfeier im Township Khayelitsha handelte. Also schickte der Chef mich, den Praktikanten und unsere Sekretärin los. Als wir fuhren gingen wir davon aus einen ruhigen Vormittag an einem ruhigen Informationsstand unserer Organisation zu verbringen - doch in der Tat lief alles ein bisschen anders.

Als wir ankamen durften wir an einer Pressekonferenz teilnehmen, in der unsere Organisation ebenfalls kurz vorgestellt wurde. Und auf der auch die südafrikanische Justizministerin anwesend war. Anschließend gab es einen Rundgang entlang aller Info-Stände mit einem großen Tross an Kameraleuten und Photographen. Als die Ministerin an unserem Stand Station machte durfte ich kurz erklären, welche Arbeit VPUU in Khayelitsha leistet. Die Ministerin wollte daraufhin eine Einladung in unser Büro haben und rauschte nach einem doch relativ langen (3-4 Minuten) Gespräch weiter. Unserer Sekretärin war die Aufregung doch sichtlich anzusehen.

Wenn ich etwas Glück habe kann ich Morgen mein Gesicht in der Zeitung lesen.

Bilder (oben): Im Chez-Ntemba steppt der Bär! Im Bild auch mein Vermieter (rechts unten auf dem Boden)
(unten): Glück gehabt: Ich stehe auf gleicher Höhe mit Mugabe und noch über Chavez in der Zeitung ;)

Donnerstag, 14. August 2008

Einmal Township und zurück















Ich bin in meinen Arbeitsplatz eingeführt worden und habe meine Aufgaben zugeteilt bekommen. Ich arbeite für VPUU ( www.vpuu.org ) und lerne deren Projekte für die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Townships von Kapstadt kennen. Vornehmlich geht es dabei um Gewaltprävention und die Minderung der enorm hohen Kriminalitätsrate.

Drei "Projekte" wurden mir zugeteilt. 1.: Ich soll Fallstudien zu mehreren bereits in der Endphase befindlichen Projekten von VPUU erstellen. Das heißt ich interviewe die Entwicklungshelfer die daran beteiligt waren, die Bevölkerung die davon profitieren sollte und noch ein paar andere Leute. Ich stelle Anspruch und Ergebnis der Projekte gegenüber und bewerte sie, visualisiere das ganze indem ich Fotos von den Projekten mache und stelle das Ganze schließlich vor.













2.: Ich soll beim Projekt "Monument Photography" mitarbeiten - dabei sind einzelne Bewohner von Khajelitsha damit beauftragt, jede Woche von bestimmten Standpunkten in den Shacks Fotos im immer gleichen Winkel zu schießen. Diese Fotoserien werden dann analysiert und Veränderungen (in der Bebauung, im Verhalten der Bewohner) herausgesucht. Da es sich um großenteils informelle Siedlungen handelt ist dies eine der wenigen Möglichkeiten, einen Überblick über gewisse Entwicklungen zu behalten. Ich werde dabei auch neue Foto-Positionen erforschen und mit den Photographen sprechen, sollte es Probleme geben...

3.: Ich soll bei der Verarbeitung der Daten aus einer andauernd laufenden Haushaltsbefragung mitarbeiten. Die Daten werden in einem GIS-Programm in eine Karte eingebaut anhand derer Kriminalitäts-Schwerpunkte und Problemzonen gefunden werden können.

Alle drei Aufgabenfelder klingen eigentlich ganz interessant. Nicht weniger interessant klingen übrigens die Namen einiger meiner Mitarbeiter - Klicklaute sind eine Spezialität der Xhosa-Sprache, die hier die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung spricht.

Diese Sprache sollte ich übrigens auch zumindest rudimentär lernen: Heute war ich zum erstenmal mit einem Mitarbeiter von VPUU im Township. Der Mitarbeiter ist Weißer, spricht aber als Sohn eines Missionars fließend xhosa - das beeindruckt und macht die ganze Unternehmung auch weit aus sicherer - wir waren in Abschnitten der Townships unterwegs, in die weiße Südafrikaner sonst nie fahren.

An mehreren Stellen haben wir Station gemacht und mit einigen Leuten geredet, die in Projekte der VPUU eingebunden sind. Ich wurde auch immer schön vorgestellt und habe sogleich den speziellen Handschlag gelernt, den man in diesen Kreisen pflegt. Schließlich haben wir sogar noch an einer Grillbude im Shack gegessen... Rindfleisch auf Öltonnen gegrillt. Entgegen aller Erwartungen habe ich immer noch keine Verdauungsprobleme.















Auf die Arbeit fahre ich inzwischen regelmäßig mit dem Minibus - das ist schnell, günstig und immer unterhaltsam. Es handelt sich um kleine getunte Busse, mit kleinen Reifen und dicken Musikanlagen, die vollkommen gegen alle Regeln und Sitten durch den Verkehr pfeifen. Bei Unfällen mit Minibussen rückt die Polizei nicht einmal mehr aus... Man winkt die schnellen Gefährte einfach heran und ein "thank you, driver" beendet die fahrt. Auf diese Weise sind es von wo ich wohne bis zur Arbeit kaum 15 Minuten.

Mittwoch, 13. August 2008

Kapstadt - 1. Tag














12 Stunden Flug nur um anschließend doch wieder in Mutterstadt zu landen – so wird Kapstadt nämlich von den Südafrikanern genannt – die Mutterstadt (the Mother City).

Erstes Frühstück um 3 Uhr in der Früh an Bord des Fluges nach Südafrika. Um 8 Uhr zweites Frühstück bei Antje und Alex in Observatory – meine „Betreuer“ für die Zeit meines Aufenthaltes. Der Kaffee des zweiten Frühstücks zusammen mit dem gesteigerten Flüssigkeitskonsums während des Fluges führen über den gesamten Tag zu gesteigerten Klobedürfnissen.

Erste Erkundungstouren mit Alex durch die Stadt. Auf dem Weg vom Flughafen kommen wir um 7 Uhr in der Früh bei meinem Vermieter an und stellen mein Gepäck ab. Der Mann und seine Frau (Freundin?) kommen aus Burundi bzw. Kenya und sind seit 11 Jahren nur auf der Flucht gewesen, bis sie sich hier niederlassen konnten. Es scheint, als wären es zwei sehr nette und aufgeschlossene Zeitgenossen, bin froh, bei „Locals“ untergekommen zu sein.














Nach einem ersten Überblick über das noch schlafende Cape-Town vom Signal-Hill (Sonnenaufgang, der Nebel lichtet sich langsam etc.) erkunden wir zunächst die Innenstadt und dann die verschiedenen Außenbezirke. Rund um den Tafelberg ist es wohlhabend und weiß – weiter außerhalb in den Cape Flats kommen dann zunächst die einfachen Siedlungen der Farbigen und schließlich die Shacks der Schwarzen. Das Wellblech- und Pappe-Meer erstreckt sich Kilometerweit bis zum Horizont.

Alexander merkt an, dass man sich hier nicht fürchten muss – nur etwas „Streetwise“ sollte man sein: Trag kein Portemonaie mit dir herum, nur ein paar einzelne Scheinchen, fahr nicht in abgelegene Gassen in der Nähe der Wellblechsiedlungen, in denen Jugendliche mit Drogen umgehen und demnach unzurechnungsfähig sind. Fahr überall hin aber hab besser keine Panne.

Der öffentliche Verkehr in Kapstadt ist zweigeteilt – es gibt einerseits die Busse der „Red Arrow“-Flotte und andererseits Minibusse (Taxis genannt) die auf bestimmten Routen überall per Handzeichen anzuhalten sind. ÖPNV ist in Kapstadt ein heißes Thema. Vor kurzem gab es zwischen diesen beiden Transport-Organen blutige Kriege mit Toten und vielen Verletzten – Busfahrer gegen Kleinbusfahrer.



















In den nächsten Tagen kommen noch ein paar andere Praktikanten in Kapstadt an sodass wir in etwa einer Woche vier sein werden. Dann wollen uns Antje und Alex auf ihr Segelschiff zu einem kleinen Törn um das Kap einladen.

Bilder: (von oben nach unten) Blick auf das erwachende Kapstadt an meinem ersten Morgen. In den Cape-Town flats liegt noch Nebel, Autoschlangen sind auf dem Weg in die Foreshore-Geschäftsviertel.

(mitte): Man kann sich auch in den Townships nicht verfahren - Am Tafelberg liegt das reiche Kapstadt, bis weit in die Ebene hinein reichen Meilenweit die Shacks der armen, schwarzen Bevölkerung.

(unten): Ein gewisenhafter Mitarbeiter meiner Mietwagenfirma checkt meinen Wagen und versucht die Blink-Anlage fürs rechts-Abbiegen zu reparieren.